Yearbook-Archive: Vol 10 (1993)
Vol 10 (1993): Musikpsychologie – Empirische Forschungen - Ästhetische Experimente / Music psychology - Empirical Research - Aesthetic Experiments [*]
Volume 10 was edited by Klaus-Ernst Behne, Günter Kleinen und Helga de la Motte-Haber.
The printed volume was published by Florian Nötzel in 1993. The rights of use were reacquired by DGM and the contributions were republished here in 2020 as an OpenAccess publication for free, unrestricted use under the CC-BY 4.0 licence.
All contributions are available as searchable PDF files, have a DOI and are searchable in the PubPsych/PSYNDEX database. Contribution titles and abstracts are consistently given in German and English.
Titles and abstracts marked with [*] have been automatically translated from the original language with www.deepl.com.
Research Reports
lnterpretationsfoschung mit Hilfe des Computerflügels. Eine Studie zur Wahrnehmung von Interpretationsmerkmalen Interpretative research using the computer wing. A study on the perception of interpretation features [*]
Der geschichtliche Hintergrund des Aufstiegs des Interpreten wird ebenso erörtert wie die Ursprünge unseres modernen Interpretationsverständnisses, das auf die Veröffentlichung von C.P.E. Bachs "Clavierschule" im Jahr 1753 zurückgeht. Es wird gezeigt, dass der Aufstieg der Interpretin mit der Entwicklung des modernen Konzertrepertoires unter dem prägenden Einfluss von Clara Schumann einhergeht. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erschienen eine Reihe wichtiger Aufführungshandbücher, die Grundregeln für die Aufführung großer Konzertwerke festlegten. Ausgehend von Hugo Riemanns "Musikalische Dynamik und Agogik" von 1884 geht der Autor der Frage nach, ob Zeit und Intensität - die Parameter des musikalischen Ausdrucks - aus der Sicht des Zuhörers beim Vergleich verschiedener Fassungen ein und desselben Stückes gleich wichtig sind oder ob sie hierarchisch wahrgenommen werden. Die MDS-Analyse zeigt, dass auch der nicht-professionelle Hörer in der Lage ist, sich ein differenziertes Urteil zu bilden. Eine ausgeprägte Präferenz für expressives Timing als bevorzugtes Kriterium konnte nicht festgestellt werden. Der Autor schlägt daher vor, dass die zukünftige Aufführungsforschung die Rolle der musikalischen Dynamik stärker in den Vordergrund stellen sollte. [*]
Musikpsychologische Interpretationsforschung: Individualität und Intention Music psychological interpretation research: individuality and intention [*]
In diesem Experiment wurden zehn junge Pianisten (Studenten der Hochschule für Musik Hannover) gebeten, auf einem computergesteuerten Flügel die ersten acht Takte der "Variationen in A-Dur" von W. A. Mozart in zwei Fassungen zu spielen: A) so rhythmisch genau wie möglich und B) hoch expressiv. Die Analyse der gemittelten zeitlichen Abweichungen bewies früher gefundene Ergebnisse (z.B. A.Gabrielsson), die typische Abweichungen für bestimmte rhythmische Muster zeigten. Die Abweichungen in Version A waren weniger ausgeprägt, zeigten aber das gleiche Profil wie die in Version B, was eine Parametertheorie beweist (C.Palmer). Individuelle Leistungsunterschiede könnten durch eine Faktorenanalyse dargestellt werden. Rhythmische Abweichungen entsprachen in den meisten Fällen den Intentionen der nach der Aufführung befragten Pianisten. Es gab jedoch einige wenige, die bemerkenswerte Diskrepanzen zwischen der beabsichtigten und der tatsächlichen Leistung aufwiesen. [*]
Habituelle und situative Rezeptionsweisen beim Musikhören im interkulturellen Vergleich Habituational and situational modes of reception when listening to music in intercultural comparison [*]
Diese Studie untersucht mit einem kulturübergreifenden Ansatz das Konzept des Autors zu gewohnheitsmäßigen und situativen Hörmustern bei amerikanischen und deutschen Probanden. Die Unterschiede in den musikalischen Vorlieben nahmen mit dem Alter zu, und es scheint, dass die Jugendkultur in beiden Ländern zwar ähnlich sein mag, das kulturelle Erbe im Erwachsenenalter jedoch an Bedeutung gewinnt (siehe Tab. 1). Amerikanische Probanden schienen in ihren Präferenzen flexibler zu sein als deutsche Probanden. Eine variable Staubwedelanalyse des ursprünglichen Fragebogens ergab 15 Aspekte des gewohnten Musikhörens (siehe Tab. 2; Abb. 1 ). Vier von zwanzig Staubwedeln, die sich aus einer Staubwedelanalyse der Fälle ergaben, werden beschrieben (siehe Abb. 2, 3 ) . Es scheint, dass das Hörmuster nicht nur durch Alter, Geschlecht und formale Ausbildung bestimmt wird, sondern auch durch die allgemeine Kultur, der ein Hörer ausgesetzt ist. In einer zweiten Studie wurde eine Wechselwirkung zwischen formaler Ausbildung und Nationalität festgestellt: Für deutsche Musiker war Kompensation/Eskapismus eine signifikant wichtigere Funktion des situativen Zuhörverhaltens als für Nicht-Musiker, während dieser Effekt der formalen Ausbildung bei den amerikanischen Probanden nicht gefunden werden konnte (siehe Abb. 4, 5). Dieser Befund konnte nicht erklärt werden und wartet auf weitere Untersuchungen. Während Rangkorrelationen (siehe Tab. 3 , 4) zwischen den beiden nationalen Unterstichproben mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede aufzeigten, variierte die relative Bedeutung der 15 Skalen je nach Vertrautheit und Präferenz mit dem musikalischen Beispiel. [*]
Ein Experiment zur Formwahrnehmung bei elektronischer Musik An experiment in the perception of form in electronic music [*]
Ziel des Experiments war es, den Einfluss bestimmter Arten des Zuhörens auf die Wahrnehmung der musikalischen Form zu untersuchen. Zu diesem Zweck wurde "Aquatisme", ein 8-minütiges Stück elektronischer Musik von Bernard Parmegiani, 41 Testpersonen vorgespielt, deren Antworten untersucht wurden. Während eines zweiten Abspielens wurden die Probanden gebeten, das Stück in beliebig viele Segmente zu unterteilen, indem jedes neue Segment intuitiv mit dafür vorgesehenen Knöpfen markiert wurde (der Begriff "Form" wurde nicht erwähnt). Die Signale der Knöpfe wurden elektronisch mittels MIDI/Cubase registriert. Obwohl zwei Haupttypen des Hörens ("analytisch" und "assoziativ") klar unterschieden werden konnten, war kein signifikanter Unterschied zwischen den formalen Segmentierungen in Bezug auf die jeweiligen Hörarten zu beobachten. Weitere Untersuchungen werden dieses Ergebnis entweder auf individueller oder !arger empirischer Basis belegen müssen. [*]
Entwicklung des Tonalitätsverstehens bei der Beurteilung und Produktion von Liedschlüssen Development of the understanding of tonality in the evaluation and production of song shorts [*]
Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht die Frage, wann und wie im Laufe der Entwicklung ein tonales Verständnis erworben wird. Es wurde untersucht, wie Kinder {5-6 und 9-10 Jahre) und Erwachsene ( 19-45 Jahre) Schlußtöne von Kinder- und Volksliedern einerseits beurteilen und andererseits selbst produzieren. Die Ergebnisse brachten sowohl im Urteil als auch in der Produktion eine mit dem Alter zunehmende Festlegung auf die in unserem Kulturkreis gebräuchlichen tonalen Beziehungen zum Ausdruck. So akzeptierten die 5-6jährigen Kinder auch untypische Liedschlüsse (auf der VI. Stufe) und produzierten relativ indifferent sowohl nicht diatonische als auch diatonische Schlußtöne. Die älteren Kinder und Erwachsenen präferierten dagegen eindeutig T onikaschlüsse und produzierten nahezu ausschließlich diatonische Schlußtöne, insbesondere die Tonika.
Was bedeutet die Art der Ich-Darstellung auf Kinderbildern? What does the way the ego is represented in children's pictures mean? [*]
Frühere Untersuchungen zeigten unterschiedliche Ergebnisse bezüglich der Frage, ob die gezeichnete Größe einer Person, die Platzierung und andere Variablen, die aus einer Analyse von Kinderbildern (mit dem Titel "Ich und die Musik") abgeleitet wurden, etwas mit einem allgemeinen Selbstkonzept oder einem speziellen musikbezogenen Selbstkonzept zu tun haben. Diese Untersuchung gibt eine weitere Unterstützung für die Hypothese, dass diese Variablen etwas mit dem Selbstkonzept von Kindern zu tun haben, da es eine systematische Art der Kombination gibt. Kinder, die sich selbst kleiner als das Instrument malen und das Instrument nicht zupfen, werden fast an den Rahmen des Bildes gestellt. Kinder, die sich groß malen und sich in Kontakt mit dem Instrument zeigen, sind oft in der Mitte des Bildes zu finden. Es bleibt aber die Frage offen, ob diese Variablen ein spezielles musikbezogenes Selbstverständnis oder ein allgemeineres Konzept widerspiegeln. [*]
Maps and Paths of Music Perception Karten und Pfade der Musikwahrnehmung [*]
Musikalische Wahrnehmung und Kognition verläuft in Bahnen, die durch ein neuronales Netz repräsentiert werden. Die Theorie basiert auf einem konnektionistischen Ansatz. Verstehen kann daher als eine Aktivierung dessen, was geistig repräsentiert wird, beschrieben werden. Diese Repräsentation wird als ein komplexes, selbstorganisiertes und verteiltes Netzwerk gesehen. Der Beitrag befasst sich mit einem laufenden Forschungsprojekt, das sich mit musikalischer Repräsentation befasst. Seine Struktur wird durch eine mittels einer Hörgeschichte gewonnene "Landkarte der Wahrnehmung" dargestellt, die die Aktivierung der bereits entwickelten Repräsentation in ihren figuralen oder formalen Typen widerspiegelt. Lernen und Verstehen wird nun als der Prozess gesehen, wie man Repräsentationen etabliert, und kann als Stand der Entwicklung und Differenzierung innerhalb kognitiver Karten definiert werden. [*]
On Strong Experiences of Music Über starke Erfahrungen mit Musik [*]
Man kann zwischen zwei sich teilweise überschneidenden Forschungslinien zur Musikerfahrung unterscheiden. Eine davon zielt darauf ab, zu untersuchen, wie Menschen die Merkmale der Musik wahrnehmen und beschreiben. Beim anderen Ansatz geht es darum zu untersuchen, wie Menschen von der Musik beeinflusst werden. Das hier vorgestellte Forschungsprojekt gehört zur letzteren Kategorie. Es konzentriert sich auf die "Strang Experiences of Music" (SEM). Etwa 800 Personen haben das stärkste Musikerlebnis beschrieben, das sie je hatten. Die Inhaltsanalyse ihrer Beschreibungen zeigt eine Vielzahl unterschiedlicher Aspekte auf, die in sieben Grundkategorien eingeteilt wurden: Allgemeine Merkmale des SEM, körperliche Reaktionen, Wahrnehmung, Kognition, Emotionen, transzendentale und existentielle Aspekte und persönliche Entwicklung. Diese sind wiederum in mehrere Unterkategorien unterteilt. Das vorliegende Papier ist ein kurzer Fortschrittsbericht, der Beispiele für SEM und die Anwendung des Klassifikationsschemas liefert und verschiedene methodologische Probleme diskutiert. [*]
Wie haben Sie den Film gehört? How did you hear the movie? [*]
"Im Mai und Juni 1992 wurde von Claudia Bullerjahn und einem Projektteam, bestehend aus Studierenden der Kulturpädagogik der Universität Hildesheim, eine empirische Untersuchung zur Wirkung von Filmmusik durchgeführt. Für diese Studie produzierte die Landesmedienstelle Hannover einen ca. 10-minütigen Experimentalfilm. Der Film enthält eine bewusste Mehrdeutigkeit und bietet verschiedene Interpretationsmöglichkeiten. Er sollte den Eindruck eines ergebnisoffenen Ausschnitts aus einem realen Spielfilm vermitteln. Mehrere professionelle Filmmusikkomponisten sind der unkonventionellen Aufforderung nachgekommen, drei musikalische Begleitmusiken zum Film zu komponieren, im Stil eines Thrillers, eines Melodrams und einer Komödie oder "neutralen" Version. Insgesamt fünf Versionen der Für die Studie wurden die Komponisten Rainer Kühn, Eugen Thomass und Peer Raben ausgewählt, die sich in Stil und Instrumentierung, in der Verwendung von Motiven sowie in Ort und Länge der Musik im Verhältnis zum Film unterscheiden. Da wir davon ausgingen, dass die Antworten von Alter, Geschlecht, Medienkompetenz und musikalischer Erfahrung abhängen würden, testeten wir 412 Probanden in 2 1 Gruppen mit unterschiedlichem Hintergrund, darunter Schüler, Studenten, Polizisten, Chorsänger und ältere Menschen. Da die empirische Untersuchung noch nicht abgeschlossen ist, können nur wenige Ergebnisse gezeigt werden: 1. Während die Musik nur Tendenzen bezüglich der Charaktere der handelnden Personen verstärkt, kann die Musik einen bestimmenden Einfluss auf die emotionale Atmosphäre und das Filmgenre haben. 2. Rahmen dürfen durch Musik, Drehbuch und Schauspieler nur bei Themen ohne Medienkompetenz aufgewertet werden. 3 . Musikalisch erfahrene Subjekte, die die Filmmusik differenzierter hören, werden in ihrer Interpretation einzelner Filmbestandteile von den prägenden Elementen der Musik beeinflusst. Subjekte ohne musikalische Erfahrung hingegen diskreditieren lediglich zuverlässig das beabsichtigte Genre, weil sie die Musik und damit den zweideutigen Film zwangsläufig in ein bekanntes Klischee einordnen. 4. Ältere Menschen nehmen Filmmusik nicht so bewusst wahr wie jüngere. Wegen fehlender Erfahrung mit Spielfilmen versäumten sie auch eine genaue Einteilung in Filmgattungen". [*]