Musikalische Begabungen oder Talente bezeichnen außergewöhnliche Fähigkeiten im Bereich der Musik, die freilich sehr unterschiedliche Facetten in dieser Domäne repräsentieren können. Während der Begabungsbegriff auf das individuelle Fähigkeitspotential fokussiert ist, bezieht sich der Expertisebegriff auf Leistungsexzellenz in einer bestimmten Domäne, z. B. Musik. Entsprechend ist die Begabungsforschung prospektiv angelegt, d. h. interessiert sich vor allem für die Talententwicklung und deren Prognose. Im Gegensatz dazu vergleicht die Expertiseforschung Experten m it Anfängern oder Laien in einer bestimmten Domäne (Experten-Novizen-Paradigma), um auf diese Weise vor allem lern- und motivationspsychologische sowie soziale Bedingungen von Leistungsexzellenz retrospektiv zu erfassen. Dabei wird den interindividuellen Begabungsunterschieden eher eine marginale Rolle zuerkannt. Erst in der neueren Talentforschung wird eine Kombination beider Paradigmen angestrebt. Im ersten Teil des Aufsatzes werden deshalb aktuelle Theorien zur Hochbegabung und Expertise unter besonderer Berücksichtigung musikalischer Talente dargestellt. Dabei interessiert vor allem, inwieweit diese Modelle Phänomene musikalischer Begabung beschreiben und erklären können. Im zweiten Teil des Aufsatzes wird auf neuere empirische Forschungsbefunde eingegangen, wobei Probleme der Erkennung (Identifikation) und Förderung hochbegabter Kinder und Jugendlicher im Mittelpunkt stehen. Unter musikpädagogischen Aspekten interessieren z. B. Frühindikatoren musikalischer Begabung, Interesse an Musik etc. , aber auch musikalisches Gedächtnis, absolutes Gehör, Fähigkeiten des Transponierens, Improvisierens und Komponierens, Beziehungen zwischen Musikalität und Kreativität sowie Intelligenz, zwischen Musikalität und visueller Wahrnehmung, Lateralitätshypothesen, das „Idiot-Savant-Syndrom" bzw. sog. „WilliamsSyndrom" und schließlich die Beziehung zwischen musikalischer Frühbegabung und musikalischer Expertise im Erwachsenenalter. Abschließend werden praktische Identifikations- und Förderansätze im Lichte der Hochbegabungs- und Expertiseforschung diskutiert.