Jahrbuch-Archiv: Band 13 (1998)

Band 13: Musikpsychologie – Musikalischer Ausdruck
Band 13 wurde herausgegeben von Klaus-Ernst Behne, Günter Kleinen und Helga de la Motte-Haber.
Der gedruckte Band ist 1998 im Hogrefe-Verlag erschienen. Die Nutzungsrechte wurden durch die DGM zurückerworben und die Beiträge 2020 als OpenAccess-Publikation zur kostenlosen, freien Verwendung unter der CC-BY 4.0 Lizenz an dieser Stelle neu veröffentlicht.
Alle Beiträge liegen als durchsuchbares PDF vor, sind mit einer DOI versehen und in der PubPsych/PSYNDEX-Datenbank recherchierbar. Beitragstitel und Zusammenfassungen werden konsequent in deutscher und englischer Sprache angegeben.
Mit [*] gekennzeichnete Titel und Zusammenfassungen wurden aus der Ursprungssprache maschinell mit www.deepl.com übersetzt.
Forschungsberichte zum Themenschwerpunkt
Emotionaler Ausdruck in Musik und Sprache Emotional expression in music and language [*]
Obwohl Musik seit jeher als "Sprache der Emotionen" bezeichnet wird, fehlt es offenbar an systematischer Forschung über die Vermittlung von Emotionen durch Musik. Es wird eine Parallele zum etablierten Forschungsgebiet der Kommunikation von Emotionen in der Stimme gezogen und nach einer Überprüfung dieses Bereichs darauf hingewiesen, dass die für diesen Bereich relevanten Fragen und Ergebnisse auf die Untersuchung emotionaler Aspekte der Musik übertragen werden können. Wie in der Sprachforschung können auch bei der Untersuchung der Emotionskommunikation durch Musik drei Hauptfragen gestellt werden: 1) Wie wird ein emotionaler Zustand durch Musik ausgedrückt ( =Kodierung); 2) Wie wird ein emotionaler Zustand aus Musik abgeleitet ( =Dekodierung); und 3) Wenn die Zuhörer Emotionen aus musikalischen Mustern zuverlässig identifizieren können, welche akustischen und formalen Hinweise werden beim Schlussfolgerungsprozess verwendet ( = Identifikation von Hinweisen). Einschlägige Studien werden überprüft, und es wird darauf hingewiesen, dass es von besonderem Interesse sein kann, nicht nur zu fragen, welche formalen und akustischen Muster für die Emotionszuweisung, sondern auch für die Emotionsinduktion verantwortlich sind. Die empirische Erstellung spezifischer akustisch-formaler Profile in der Musik, die für die Induktion verschiedener emotionaler Zustände verantwortlich sind, könnte zu einem breiten Spektrum von Anwendungen in der experimentellen Psychologie, Arbeitspsychologie, im Marketing, in der Musiktherapie und in der Musiktheorie führen. Dieselben konkreten Richtlinien für die Weiterentwicklung dieses Forschungsgebietes werden skizziert. [*]
Melodische Kontur und emotionaler Ausdruck in Wiegenliedern Melodic outline and emotional expression in lullabies [*]
Forschungen zur melodischen Konstruktion in verschiedenen Liedkategorien haben zu dem Schluss geführt, dass Schlaflieder im Gegensatz zu anderen Liedkategorien keine homogene Gruppe darstellen. Sie schienen aus mehreren Unterabteilungen zusammengesetzt zu sein. Eine große, die hauptsächlich aus glockenförmigen und fallenden melodischen Konturen bestand, zeigte viel Ähnlichkeit mit Lobliedern für Erwachsene, eine andere erinnerte an das Schaukeln einer Wiege. Eine dritte Gruppe mit lebhaft sich bewegenden sinusförmigen Konturen schien einen unterhaltsamen Charakter zu haben, und einige Schlaflieder zeigten tatsächlich Züge, die denen von Kampfliedern ähneln. Die Eindrücke beim Hören dieser Lieder entsprachen den visuellen Beobachtungen. Für diese Untersuchung wurde also die Hypothese aufgestellt, dass das Konzept des Schlafliedes Lieder mit sehr unterschiedlichem emotionalen Inhalt umfasst, die mit verschiedenen Kompositionen melodischer Konturen korreliert sind. Zur Klärung dieses Problems wurden zwei Tests durchgeführt. Die Ergebnisse beider Experimente bestätigen eindrucksvoll die eingangs formulierte Hypothese. [*]
Zum Einfluß der musikalischen Vorbildung auf die Beurteilung barocker Affekte in Opernarien Händels On the influence of musical training on the assessment of baroque affects in Handel's opera arias [*]
Der musikalische Ausdruck in Händels Opernarien wird durch die "Affektenlehre" des Barock beschrieben. Es stellt sich die Frage, ob die heutigen Probanden diese Arien in der gleichen Weise beurteilen wie beschrieben. Ein Fragebogen wurde sowohl zu den Begriffen der "Affektenlehre" als auch zu den in der zeitgenössischen Psychologie der Emotionen verwendeten Skalen verfasst. Eine traditionelle Klassifikation wurde durch Faktorenanalyse und Clusteranalyse gefunden. Der Versuchsaufbau ist derselbe wie in einer früheren Untersuchung (Jahrbuch d. Dt. Ges. für Musikpsychologie 1995). Das spezifische Problem, das hier untersucht wird, ist die Auswirkung des musikalischen Bildungshintergrunds. [*]
Musikalisch-improvisatorischer Ausdruck und Erkennen von Gefühlsqualitäten Musical-improvisational expression and recognition of emotional qualities [*]
Improvisationen als eine Form des spontanen musikalischen Ausdrucks intrapsychologischer Prozesse bieten aufgrund ihrer hohen Authentizität Zugänge zu sonst schwer zugänglichen Tiefendimensionen menschlicher Erfahrung. Es wurde untersucht, ob das emotionale Erleben von Laien in Improvisationen auf dem Xylophon prägnant in Szene gesetzt und so für den Hörer aufnehmbar gemacht wird. 20 Gymnasiasten drückten in Improvisationen auf dem Xylophon drei Grundgefühle (Wut, Trauer, Freude) aus; später mussten 74 Probanden die Improvisationen diesen Gefühlen richtig zuordnen. Das gelang ihnen hervorragend oft. Diese Studie hat das intersubjektiv erkennbare Erleben von Gefühlen oder gefühlverwandten Bildern in Improvisationen von Erwachsenen ohne musikalische Professionalität nachgewiesen. Dies ist für die Psychologie des Ausdrucks relevant und hat auch Auswirkungen auf die Diagnostik in der klinischen Psychologie und Psychotherapie, insbesondere unter Berücksichtigung musiktherapeutischer Verfahren. [*]
Freie Forschungsberichte
Zur musikalischen Abstraktionsfähigkeit von 5jährigen Kindern. Eine empirische Studie On the musical abstraction ability of 5-year-old children. An empirical study [*]
Gegenstand dieser Studie ist die Frage, ob fünfjährige Kinder in der Lage sind, musikalische Motive in einem veränderten Kontext zu erkennen. Um diese Abstraktionsfähigkeit zu untersuchen, wurden 45 fünfjährige Kinder mit fünf Aufgaben betraut, in denen jeweils drei musikalische Beispiele verglichen werden sollten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden gefragt, welche von zwei musikalischen Variationen dem stets gleichbleibenden Vorbild am ähnlichsten ist. Zu den musikalischen Parametern gehörten Rhythmus, Melodie, Ton, Tonhöhe und Tempo. Entgegen der gängigen Auffassung von der musikalischen Entwicklung deuten die Messwerte darauf hin, dass Fünfjährige bereits die Fähigkeit besitzen, musikalische Motive zu abstrahieren. Diese Kompetenz korreliert mit der Art der musikalischen Variationen und dem Geschlecht. Schliesslich scheinen sich typische Rezeptionsmuster in Abhängigkeit von den musikalischen Sozialisationsbedingungen zu entwickeln.sample, die stets konstant geblieben sind. Zu den musikalischen Parametern gehörten Rhythmus, Melodie, Ton, Tonhöhe und Tempo. Entgegen der gängigen Auffassung von der musikalischen Entwicklung deuten die Maße darauf hin, dass Fünfjährige bereits die Fähigkeit zur Abstraktion musikalischer Motive besitzen. Diese Kompetenz korreliert mit der Art der musikalischen Variationen und dem Geschlecht. Schliesslich scheinen sich typische Rezeptionsmuster in Abhängigkeit von den musikalischen Sozialisationsbedingungen zu entwickeln. [*]
Klassik-Hörer: Programmpräferenzen und musikalische Rezeption classical music listeners: programme preferences and musical reception [*]
NDR 3, eine öffentlich-rechtliche Rundfunkwelle mit Schwerpunkt auf klassischer Musik, bekam 1990 einen kommerziellen Konkurrenten mit Klassik Radio. Im Wettbewerb um die Gunst der Hörer verfolgen beide Sender unterschiedliche Vorstellungen. So ist der Anteil des gesprochenen Wortes im Programm des Klassik-Radios deutlich geringer als bei NDR 3. Eine Analyse per Fragebogen unter 133 regelmäßigen Hörern dieser Sender ergab, dass neben den Personen, die hauptsächlich einen der beiden Sender hören, eine große Gruppe an beiden gleichermaßen teilnimmt. Neben der Vorliebe für Musik aus Klassik, Romantik und Barock besteht ein erheblicher Bedarf an Hintergrundinformationen. Darüber hinaus konnten aus der Auswertung von 15 Aussagen über das Hören von klassischer Musik einige Faktoren extrahiert werden, die als bestimmte Modi der Musikwahrnehmung interpretiert werden können. Diese zeigen eine hochsignifikante kanonische Korrelation mit den Programmpräferenzen. Hörer, die NDR 3 bevorzugen, unterscheiden sich von Hörern des Klassik-Radios durch die Bevorzugung von Wortbeiträgen, die mit einer eher kognitiven Art der Musikwahrnehmung korreliert sind. [*]
A Piagetian perspective on singing development Eine piagetsche Perspektive der Gesangsentwicklung [*]
Mit diesem Papier werden zwei Ziele verfolgt. Zunächst wird kurz charakterisiert, wie Piagets Theorie bisher hauptsächlich in der Musikpsychologie und -pädagogik angewandt wurde. Nach der Erörterung der Haupt- oder Unzulänglichkeiten dieses Ansatzes werden die Kernelemente der Theorie in ihrer Anwendung auf die Musik neu bewertet. Zweitens wird ein neuer theoretischer Ansatz vorgeschlagen und im Hinblick auf die Entwicklung des Gesangs detaillierter ausgearbeitet. Die Fokussierung auf den Gesang ist dadurch motiviert, dass er ein elementares und universelles Mittel ist, um die grundlegenden musikalischen Parameter, nämlich das Timing der Tonhöhen, schon früh in der Ontogenese auszudrücken. Abschliessend wird der skizzierte Ansatz anhand eines Ausschnitts aus der Anfangsphase des Gesangserwerbs zweier Vorschulkinder veranschaulicht. [*]