Jahrbuch-Archiv: Band 8 (1991)

Band 8: Musikpsychologie – Empirische Forschungen - Ästhetische Experimente
Band 8 wurde herausgegeben von Klaus-Ernst Behne, Günter Kleinen und Helga de la Motte-Haber.
Der gedruckte Band ist 1991 im Hogrefe-Verlag erschienen. Die Nutzungsrechte wurden durch die DGM zurückerworben und die Beiträge 2020 als OpenAccess-Publikation zur kostenlosen, freien Verwendung unter der CC-BY 4.0 Lizenz an dieser Stelle neu veröffentlicht.
Alle Beiträge liegen als durchsuchbares PDF vor, sind mit einer DOI versehen und in der PubPsych/PSYNDEX-Datenbank recherchierbar. Beitragstitel und Zusammenfassungen werden konsequent in deutscher und englischer Sprache angegeben.
Mit [*] gekennzeichnete Titel und Zusammenfassungen wurden aus der Ursprungssprache maschinell mit www.deepl.com übersetzt.
Forschungsberichte
Musikalische Akkulturation und ästhetisches Urteil Musical acculturation and aesthetic judgment [*]
Diese Studie versucht, verschiedene kognitive Mechanismen zu untersuchen, die, speziell bei der Kodierung und Enkodierung alltäglicher musikalischer Strukturen, die Entstehung und Entwicklung des musikalischen Geschmacks beeinflussen. Die Präferenzen von 18 legasthenischen Kindern und 63 cerebral geschädigten Erwachsenen sind mittels Paarvergleich untersucht worden. Der Einfluß der musikalischen Gestaltung ist durch drei unterschiedliche Aufgabenkomplexe repräsentiert worden: 1) konsonante und dissonante Akkorde; 2) tonale und atonale Melodien; 3) metrische und nicht-metrische Rhythmen. Im Vergleich zur Kontrollgruppe haben signifikante Defizite im stabilen Ausdruck von Präferenzen bei legasthenischen Kindern einerseits und den links- bzw. rechtsseitigen Läsionen mit sensorischen Aphasien andererseits festgestellt werden können. Dissoziationen der Einzelbereiche ergaben sich 1) zwischen den drei Aufgabenbereichen zum ästhetischen Urteil, was auf den Einfluß der unterschiedlichen musikalischen Strukturen zurückzuführen ist; 2) zwischen den Fähigkeiten des ästhetischen Urteils und denen der wahrnehmenden Diskrimination, die durch drei andere Aufgaben überprüft worden ist. Hierbei wurden zwei unterschiedliche Ebenen der musikalischen Verarbeitung sichtbar.
Weibliches Komponieren Female composing [*]
Anhand biographischer und experimenteller Daten wurden sieben Aspekte des weiblichen Komponierens diskutiert: 1. Die Komponistin ist eine Frau; 2. nach Meinung von Fachleuten erzielen Kompositionen von Frauen eine höhere/niedrigere Punktzahl als Kompositionen von Männern; 3. die Entwicklungsbedingungen für die Fähigkeit zu komponieren unterscheiden sich zwischen Frauen und Männern; 4. weibliches Komponieren ist eine Frage von Anzahl und Art der Musikinstrumente, die in den Kompositionen verwendet werden; 5. weibliches Komponieren ist mit einem weiblichen kreativen Prozess verbunden; 6. weibliches Komponieren ist mit Persönlichkeitsmerkmalen verbunden, die sich vom männlichen Komponieren unterscheiden; 7. weibliche Komponisten haben biologische Bedingungen im Gehirn, die sich von denen männlicher Komponisten unterscheiden. Zum Vergleich wurden die biographischen Daten von Dora Pejačević und von Alban Berg herangezogen. Die experimentellen Daten stammten aus einer umfassenden Studie zu psychologischen, neuropsychologischen und endokrinologischen Aspekten musikalischer Fähigkeiten, die an der Universität Tübingen aufgeführt wurden. [*]
Lernen bei Musik: Hilfe oder Störung? - Eine experimentalpsychologische Analyse einer pädagogisch-psychologischen Kontroverse Learning with music: help or disturbance? - An experimental-psychological analysis of an educational-psychological controversy [*]
Ziel unserer Untersuchung war die Analyse der Auswirkungen des Musikhörens auf gleichzeitig durchgeführte Lernaktivitäten. Die Durchsicht der Literatur zu diesem Thema zeigte ein beeindruckendes Defizit im Hinblick auf eine adäquate empirische Forschung. Daher entwickelten wir ein experimentelles Design, um empirische Antworten auf einige ungelöste Fragen in diesem Bereich zu erarbeiten. Als erste unabhängige Variable wählten wir drei verschiedene Bedingungen der Musikstimulation: 1. Lernen während der Präsentation von Musik, ausgewählt von den Probanden. 2. Lernen während der Bedingung einer Standardmusik. 3. Lernen während des Zustandes der Stille. Als zweite unabhängige Variable wählen wir die Erfahrung, die die Probanden bereits in Bezug auf das Problem des Musikhörens während der Lernaktivitäten gemacht haben. Wir wählten daher zwei Gruppen, wobei die erste Gruppe Probanden umfasste, die während des Lernens normalerweise Musik hören. Die zweite Gruppe umfasste Probanden, die während des Lernens nie Musik hören. Als abhängige Variablen wählten wir drei verschiedene Tests, die drei verschiedene Fähigkeiten messen sollten: Konzentration, Gedächtnisleistung und Textanalyse. Darüber hinaus sammelten wir auch subjektive Bewertungen der Probanden, die die Bereiche der wahrgenommenen Wirksamkeit, der Konzentration und des Wohlbefindens sowie der wahrgenommenen Wirkung der verschiedenen Musikbedingungen abdeckten. Das Experiment wurde unter Verwendung eines "within-subjectdesign" durchgeführt. Die Teilnehmer waren 24 weibliche und 24 männliche Studenten. Die zentralen Ergebnisse waren, dass in Bezug auf das "objektive"
Die Testergebnisse zeigten keine signifikanten Unterschiede, weder in Bezug auf die unterschiedlichen Musikbedingungen noch in Bezug auf die beiden Erfahrungsgruppen. In Bezug auf die "subjektiven" Bewertungsprozesse fanden wir eine Reihe hypothesenbestätigender Unterschiede. Allen diesen Unterschieden war gemeinsam, dass sich die Personen, die beim Musikhören lernerfahren sind, beim Hören ihrer eigenen Musik am besten fühlten und die größte Wirksamkeit wahrnahmen. Im Gegensatz dazu fühlte sich die andere Gruppe am besten und empfand die größte Wirksamkeit unter der Bedingung von Stille. Die Ergebnisse werden schließlich unter theoretischen und methodologischen Gesichtspunkten diskutiert. [*]
Die Testergebnisse zeigten keine signifikanten Unterschiede, weder in Bezug auf die unterschiedlichen Musikbedingungen noch in Bezug auf die beiden Erfahrungsgruppen. In Bezug auf die "subjektiven" Bewertungsprozesse fanden wir eine Reihe hypothesenbestätigender Unterschiede. Allen diesen Unterschieden war gemeinsam, dass sich die Personen, die beim Musikhören lernerfahren sind, beim Hören ihrer eigenen Musik am besten fühlten und die größte Wirksamkeit wahrnahmen. Im Gegensatz dazu fühlte sich die andere Gruppe am besten und empfand die größte Wirksamkeit unter der Bedingung von Stille. Die Ergebnisse werden schließlich unter theoretischen und methodologischen Gesichtspunkten diskutiert. [*]
Impulsivität, Reflexivität und musikalische Selbsteinschätzung Impulsiveness, reflexivity and musical self-assessment [*]
In den sechziger Jahren stellten Studien von J. Kagan bei Kindern zwei verschiedene Typen fest, einer eher reflektierend, der andere eher impulsiv. Ersterer neigt dazu, Risiken zu meiden, ist aber effizienter bei der Lösung bestimmter Probleme, letzterer ist kontaktfreudiger, sucht einen schnellen Weg zum Erfolg, macht aber mehr Fehler. In der vorliegenden Studie wurde versucht herauszufinden, ob bei der Anwendung der Tests an Erwachsenen ähnliche Ergebnisse erzielt werden können. Auch hier konnte ein eher reflektierender und impulsiverer Typus gefunden werden, wobei der reflektierende Typus eine höhere Selbsteinschätzung ihrer musikalischen Fähigkeiten gibt, deren Beurteilung in der Tat stark mit ihrer tatsächlichen Leistung korreliert. [*]
Musikalisches Bewußtsein und therapeutische Wirkung: Was ist das Therapeutische an der Musik? Musical awareness and therapeutic effect: What is therapeutic about music? [*]
Die Betrachtungen zum Problem des Bewusstseins und der therapeutischen Wirkung von Musik erfolgen von einem grundlegenden, theoretischen Standpunkt aus und zielen auf jene Bereiche des Bewusstseins, in denen Musik therapeutisch wirksam sein kann; Probleme der musiktherapeutischen Praxis sind von untergeordneter Bedeutung. Zentral ist die Unterscheidung von Musik und Sprache, um Spezifika der Rezeption musikalischer Strukturen aufzuzeigen. Es wird gezeigt, dass Sprache allein nicht ausreicht, um alle Bewusstseinsbereiche darzustellen, weshalb Musik eine Rolle als therapeutisches Mittel beanspruchen kann. Dieser nonverbale Weg zum Bewusstsein wird jedoch mit Problemen der bewussten (verbalen) Reflexion verwechselt. Diese Barriere verhindert einen leichten Zugang zu therapeutisch relevantem Material. [*]
Am Rande der Musik: Synästhesien, Bilder, Farben, ... On the edge of music: synaesthesia, images, colours, … [*]
Der Begriff "Synästhesie" wird sowohl allgemein als auch akademisch verwendet, um eine Vielzahl von Phänomenen zu definieren. Zehn beispielhafte Ergebnisse ausgewählt aus ca. 100 Jahre empirische Forschung in der Synästhesie werden vorgestellt und diskutiert. Anhand der Definition von R. Cytowic (Synästhesia - A Union of the Senses, 19"8 9) wird vorgeschlagen, zwischen "Synästhesie" in ihrer ursprünglichen Bedeutung und "intermodalen Analogien" zu unterscheiden. Es ist möglich, acht unterscheidende Merkmale zu definieren, die ihre grundsätzlich unterschiedlichen Prozesse erklären (absolut/relative Zuschreibung). Beziehungen zwischen Synästhesie und absolute Tonhöhe (oder intermodale Analogien und relative Tonhöhe) sollten intensiver untersucht werden. Schließlich sollten Synästhesie als gegen intermodale Analogien wird aus ästhetischen Gründen als nicht besonders interessant erachtet. [*]
Dissoziation von Dynamik und Duktus - Psychische Grenzsituationen in den Ariosi von Beethovens Klaviersonate op. 110 Dissociation of dynamics and ductus - psychic borderline situations in the Ariosi of Beethoven's piano sonata op. 110 [*]
Der Autor behauptet, dass Beethoven in zwei Ariosi seiner Klaviersonate op. 110 versuchte, Ausdruck für psychisch instabile Situationen zu finden indem die Dynamik der Musik von den Beschränkungen traditioneller Muster befreit wird. Diese Konsequenz kann als ein einzigartiges Phänomen in der Kompositionsgeschichte beschrieben werden, das bisher nicht die Aufmerksamkeit der Musikwissenschaftler gefunden hat. [*]