Bereits vor rund 40 Jahren galt eine aktive Musikausübung im Verein, neben dem Musikhören, als beliebteste Freizeitbeschäftigung nichtprofessioneller Musikerinnen und Musiker und als die zweitstärkste organisierte Freizeitaktivität nach dem Sport (Suppan, 1977). Willy Schneider (1986) betonte in Kenntnis der damaligen Situation, dass die Laienmusik in Deutschland seit Generationen eine große Rolle spiele und in einigen Bundesländern sogar jeder zehnte Bürger einem Chor, einer Blaskapelle, einem Spielmannszug angehöre. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl ist das Musikleben Deutschlands bis heute als wesentlicher (freizeitgestalterischer) Bestandteil unserer Kultur einzuschätzen (Deutsches Musikinformationszentrum (MIZ), 2014a, 2014b, 2014c). Allein für das Amateurwesen wurden 2017 rund drei Millionen aktive Musikerinnen und Musiker erfasst, welche entscheidend zur Belebung der deutschen (Musik-)Kultur beitragen (Liersch & Asef, 2017). In der aktuellen Erhebungsreihe des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (JIM-Studie) zeigte sich bei befragten Jugendlichen zwischen zwölf und neunzehn Jahren Sport an zweiter Stelle nicht-medialer Freizeitaktivitäten, gefolgt von Familienunternehmungen und dem Musizieren an vierter Stelle, sodass den untersuchten Domänen eine hohe Alltagsrelevanz und kulturelle Bedeutsamkeit zugesprochen werden kann (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2018).
Ein entscheidender Unterschied zwischen einer freizeitorientierten oder beruflichen Musikausübung ist die Motivation jedes Einzelnen. Im Beruf ist diese zu großen Teilen durch die Sicherung der materiellen Existenz geprägt (Juniu, Tedrick & Boyd, 1996). Der Anreiz einer Besoldung bleibt bei den meisten Freizeittätigkeiten hingegen aus, und es kann gegebenenfalls lediglich von einer Nebeneinkunft gesprochen werden. Dennoch investieren zahlreiche Menschen in ihrer Freizeit ein hohes Maß an (unentgeltlichem) Engagement und Zeit in Tätigkeiten wie Musizieren oder Sport treiben. Dieses Engagement zeichnet sich in der Regel durch eine „tiefe Ernsthaftigkeit“ und den überwiegend scheinbar unverhältnismäßig hohen Einsatz persönlicher Ressourcen und oftmals auch eine Treue über viele Jahre aus (Eibach, 2003, S. 9).
Bedenkt man nun, dass erwachsene Amateure und Amateurinnen also offensichtlich die breite Masse unserer Musikkultur bilden, so überrascht der überaus unzureichende Forschungsstand zur Motivation des Musizierens in der Freizeit vor allem im deutschsprachigen Raum. Jene Arbeiten zum Thema rücken bisher vornehmlich diejenigen in den Fokus, die offenkundig kein Interesse (mehr) am Musizieren in der Gemeinschaft haben und/oder das Jugendalter noch nicht hinter sich gelassen haben. Fragen zu Beweggründen, Anreizen und auch zur Lebenszufriedenheit erwachsener Amateurmusiker und -musikerinnen im nicht-klinischen Kontext wurden bisher nur selten gestellt (Harnischmacher, 1998; Herold, 2009; Mahlert, 2007; Switlick & Bullerjahn, 1999). Die verwendeten Methoden und Messinstrumente überzeugen außerdem oftmals nur wenig hinsichtlich ihrer theoretischen und empirischen Fundierung, sind nur schwer vergleichbar und lassen sich dementsprechend nur bedingt für weiterführende Forschungsansätze fruchtbar machen, ohne eine Multiplikation methodischer und statistischer Schwächen zu riskieren.
Motivationspsychologie als theoretischer Ausgangspunkt
Aus psychologischer Sicht handelt es sich bei Motivation nicht nur um den Auslöser einer Handlung oder Tätigkeit, sondern um einen überaus komplexen psychologischen Prozess, welcher die Summe aller inneren und äußeren Anreize und deren Verarbeitung umfasst (Heckhausen & Heckhausen, 2010, S. 1–9).
Ein verbreitetes Ergebnis empirischer Untersuchungen zur Motivation des Musizierens oder auch Freizeittätigkeiten im Allgemeinen ist, dass ‚es‘ (die Tätigkeit) einfach ‚Spaß‘ macht. Dieses vielschichtige Konstrukt erlebter Freude wird dabei regelmäßig als Hauptmotivation einer Tätigkeit angeführt, bleibt jedoch oftmals theoretisch unreflektiert. Eine ernsthafte und tiefergehende Ergründung von Spaßerleben als psychologischem Anreiz für musikalische Tätigkeiten ist die musikwissenschaftliche und musikpsychologische Forschung bisher noch schuldig, denn Untersuchungen zum Abbruch einer Tätigkeit beinhalten nur in den wenigsten Fällen weiterführende Gedanken und Interpretationen des Ergebnisses ‚es macht keinen Spaß mehr‘ (Ammersbach & Lehmann, 2002; Clemens, 1983; Elbert & Lehmann, 2004).
Spaß an einer Tätigkeit als alleinige Erklärung innerer Beweggründe greift aus motivationspsychologischer Perspektive jedoch bedeutend zu kurz, zumal er aufgrund seiner emotionalen Vielschichtigkeit empirisch bisher noch nicht trennscharf erfasst werden kann. Bei Spaß handelt es sich um eine positive Emotion, die aus diversen Bewertungsprozessen einer Handlung oder Tätigkeit resultiert, jedoch nicht unmittelbar etwas über die Merkmale der Tätigkeit aussagt. Spaß und Freude werden an dieser Stelle nicht als vorrangige Beweggründe, die im Zentrum der Untersuchung standen, sondern vor allem als Ergebnis motivationaler Bewertungsprozesse begriffen. Über das Spaßerleben als besondere und bisher nur schwer greifbare Erlebnisqualität hinaus legen die Ergebnisse bisheriger themenrelevanter Forschung und motivationspsychologische Theorien vielmehr eine Erklärung der Musiziermotivation in der Freizeit über die sogenannten psychologischen Grundbedürfnisse nahe (Big Three, s. übernächster Abschnitt) (Bullerjahn, Hantschel & Hirchenhein, 2017; Deci & Ryan, 2002; Evans, 2015; Roth, 2012).
Implizite und explizite Motivation
Eine gängige und verbreitete Differenzierung bei Überlegungen zur Motivation ist die zwischen einer Motivation von innen heraus (meist bezeichnet als intrinsisch) und einem von außen initiierten Antrieb (extrinsisch) (Rheinberg, 2010). Meist bleibt jedoch unklar, auf was genau sich dieses ‚innen‘ und ‚außen‘ letztlich bezieht. Außerdem gibt es bereits nach der frühen Kindheit aufgrund sozialer Anpassung und der Übernahme von Normen und Werten kaum noch eine Motivation oder Tätigkeit, die ausnahmslos als intrinsisch im Sinne von ‚ausschließlich von innen heraus‘ gelten könnte. Weitere Schwächen dieses Ansatzes ergeben sich vor dem Hintergrund von Arbeit und Beruf, die zunächst einmal extrinsischer Motivation (Existenzsicherung) zuzuordnen wären. Sobald jedoch jemand Freude an der Arbeit hat und sie vielleicht sogar als Berufung versteht, verschwimmen die Grenzen zur Motivation von innen heraus. Diese konzeptionelle Schwäche wird bei Überlegungen zum Musizieren in der Freizeit einmal mehr deutlich, stehen hier doch als extrinsisch geltende Anreize wie materielle Entlohnung, Anerkennung durch Publikum oder gar Wettstreit mit anderen dem vielseits angeführten selbstbelohnenden Charakter der Tätigkeit gegenüber.
Ohne weitere Ausführungen zur Diskussion des terminologischen Gegensatzpaars ‚extrinsisch versus intrinsisch‘ ist festzuhalten, dass es diesen beiden Begriffen an absoluter Trennschärfe fehlt. Ähnliche Schwächen weist das alternative Begriffspaar ‚explizite versus implizite Motive‘ auf (Brunstein, 2010), jedoch ist es weitaus eindeutiger in seiner Gestalt und treffender für die Betrachtung von Freizeitaktivitäten. Der Anreiz impliziter Motive liegt dabei in der Tätigkeit oder der Aufgabe selbst (Tätigkeitsanreiz), womit eine thematische Übereinstimmung von Motiv und Tätigkeit vorliegt. Hat man aber beispielsweise das Gewinnen eines Wettbewerbs zum Ziel (Zweckanreiz), verschwimmt die zunächst angenommene Trennschärfe erneut, denn der erwünschte Erfolg beziehungsweise das Ergebnis (Sieg, Anerkennung) liegt dort thematisch außerhalb der Handlung selbst. Falko Rheinberg (1989) hat diesbezüglich die Unterscheidung von impliziten und expliziten Motiven mit seinem Konzept der Tätigkeitsanreize verbunden. So wird mittlerweile auch zwischen ergebnis- und tätigkeitsbezogenen Motiven unterschieden (Rheinberg, 2010; Roth, 2012). Demnach sind implizite Motive eher tätigkeitszentriert, bei expliziten Motiven hingegen stehen die Zielerreichung und das Ergebnis im Fokus des Handelnden (Schüler, 2002).
Trotz einer tätigkeitszentrierten Tendenz des Musizierens ist zu bedenken, dass es dabei sowohl um die Tätigkeit, gleichermaßen aber eben auch um das Ergebnis im Sinne einer ganzheitlichen ästhetischen Erfahrung gehen muss. Der Klang als wesentliches Moment dieser Erfahrung ist untrennbar mit der Handlung verbunden und ermöglicht wichtige Rückmeldungen über den (erfolgreichen) Verlauf, sodass dichotome Überlegungen im Sinne von ‚entweder oder‘ zumindest für das Musizieren nicht sinnvoll erscheinen (Diaz, 2010). Demnach scheint eine Differenzierung in tätigkeitszentriert und ergebnisorientiert (implizit und explizit) zunächst verhältnismäßig günstig für die Betrachtung von Freizeitaktivitäten im Allgemeinen, beim Übertrag auf das Musizieren zeigen sich jedoch insofern Schwächen, als dass nicht von einer Reinform der Tätigkeitszentrierung ausgegangen werden sollte.
Psychologische Grundbedürfnisse
Die self-determination-theory (SDT) geht von drei grundlegenden psychologischen Bedürfnissen, den sogenannten Big Three, als Antriebskraft allen Handelns aus und wird in der Motivationspsychologie schon längst und in der Musikpsychologie seit jüngster Zeit zur Erklärung allen Handelns, also auch des Musizierens, herangezogen (Deci & Ryan, 1985; Platz & Lehmann, 2018). Konkret handelt es sich dabei um das Bedürfnis nach Autonomie (Macht), das Bedürfnis nach Kompetenz (Leistung) und das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit (Anschluss) (Deci & Ryan, 2002; Ryan & Deci, 2017). Nahezu zeitgleich mit der Erstveröffentlichung der SDT von Richard Deci und Edward Ryan publizierte David McClelland seine Überlegungen zur menschlichen Motivation und beruft sich dabei ebenso auf drei grundlegende psychologische Bedürfnisse (McClelland, 1985). Die von ihm verwendeten Begriffe (oben eingeklammert) haben sich vor allem in Deutschland durch Heinz Heckhausen durchgesetzt, wobei betont werden muss, dass in ihrer ursprünglichen Konzeption beide Ansätze gerade in Hinsicht auf das erstgenannte Grundbedürfnis eine unterschiedliche Ausrichtung auswiesen (Heckhausen & Heckhausen, 2010). Da im Folgenden vorrangig auf die deutschsprachige, aber bisweilen auch die englischsprachige Forschung Bezug genommen wird, werden zwangsläufig beide Ansätze miteinander verschmelzen: Zwar werden vorrangig die Begrifflichkeiten von McClelland verwendet, jedoch werden sowohl die Kontrolle des eigenen Handelns (Deci & Ryan, 2002) als auch die Kontrolle über Andere (McClelland, 1985) als Bestandteile des Bedürfnisses nach Autonomie (Macht) verstanden. Zudem wird, wie auch bei McClelland, eine individuelle Gewichtung der drei Grundbedürfnisse bei jedem Individuum angenommen (ebd.).
Von diesen drei Bedürfnissen wurde das Bedürfnis nach Leistung in der Motivationsforschung bisher am intensivsten untersucht (z. B. Asmus, 1986; Austin & Vispoel, 1998; Krapp & Hascher, 2014; Miksza, 2011; Miksza, Tan & Dye, 2016; Reinhard, 1981). Wichtige Dimensionen, die diesem Bedürfnis zuzuordnen sind, sind das Gefühl der Selbstbestimmtheit und Selbstwirksamkeit (z. B. Busch, 2013). Vor einem leistungsmotivierten Hintergrund wird eine Handlung vom Handelnden selbstgewählt vollzogen und erfolgt in ständigem Abgleich mit diversen Bewertungsprozessen (Brunstein & Heckhausen, 2010).
Das Bedürfnis nach Anschluss umfasst die grundsätzliche Absicht, soziale Beziehungen einzugehen, Geselligkeit sowie den Kontakt zu anderen Menschen. Aus evolutionsbiologischer Sicht handelt es sich dabei um eine überlebenswichtige Eigenschaft des Menschen, die in engem Zusammenhang mit dem Sexualtrieb und damit der Erhaltung der eigenen Art steht, jedoch nicht damit gleichzusetzen ist (Sokolowski & Heckhausen, 2010).
Der Machtbegriff unterliegt im Deutschen einer durchaus negativen Konnotation. Gewalt, Zwang oder auch ein starkes hierarchisches Gefälle haben sich im Zusammenhang mit diesem Begriffsfeld gefestigt. Die motivationspsychologische Verwendung meint jedoch ein Bedürfnis nach optimaler Kontrolle des eigenen Tuns sowie den Einfluss auf andere Personen im Sinne von Führung. Das Bedürfnis nach Macht muss vor dem Hintergrund psychologischer Grundbedürfnisse vielmehr als ein mehrdimensionales Konstrukt verstanden werden, welches nicht mit einer willkürlichen Einflussnahme auf andere Personen zu verwechseln ist (Schmalt & Heckhausen, 2010).
Bedürfnisse werden in der Motivationspsychologie als Mangelzustände begriffen, die der Mensch bestrebt ist auszugleichen. Im Gegensatz dazu beschreiben Motive die grundsätzliche Handlungsbereitschaft/-absicht zur Befriedigung dieser einzelnen Bedürfnisse. Vor diesem Hintergrund hat die Annahme über Triebe, die sämtliche Handlungen des Menschen steuern, ebenfalls lange Tradition in der Geschichte der Motivationspsychologie. Als solche werden dabei überlebensnotwendige (physiologische) Bedürfnisse verstanden, wie beispielsweise Hunger, Durst und teilweise auch der Sexualtrieb. Im Unterschied zu jenen biologischen Trieben sind psychologische Bedürfnisse hingegen permanent wirksam. Weiterhin besteht die Annahme, dass die Big Three in der frühen Kindheit erlernt und erworben werden (Heckhausen & Heckhausen, 2010). Die Strategien der Befriedigung hängen also eng mit der individuellen Sozialisation und Enkulturation zusammen (Zimbardo, Gerrig & Graf, 2008).
Motivation beim Musizieren in der Freizeit
Deutschsprachigen Arbeiten, die sich mit der Motivation des Musizierens oder auch anderen Freizeittätigkeiten befassen, mangelt es zumeist an der Bezugnahme auf motivationspsychologische Grundlagen, und auch die verwendeten Messinstrumente überzeugen oftmals nur wenig hinsichtlich ihrer theoretischen und/oder empirischen Fundierung. Zudem gehen ihre Ergebnisse meist nicht über Dimensionen wie beispielsweise Geselligkeit oder Spaß hinaus und bleiben theoretisch unbegründet (Ammersbach & Lehmann, 2002; Boerner & Krause, 2001; Braun, 2003; Clemens, 1983; Eckhart-Bäcker, 1996; Eibach, 2003; Elbert & Lehmann, 2004; Liegl, 2005; Reimers, 1996; Seggewiss, 1999).
Bernhard Frevel untersuchte Amateure im Musikverein, jedoch weniger aus musikwissenschaftlicher, als aus sozialwissenschaftlicher Perspektive. Seine Arbeit sollte als explorative Anregung für weiterführende Arbeiten gesehen werden, da die Überlegungen nicht über reine Beobachtungen und die Aufstellung neuer Thesen hinausgehen (Frevel, 1993). Michael Clemens (1983) legte den Fokus zwar auf das Musizieren in der Freizeit, jedoch handelt es sich ebenfalls um eine sozialpsychologische Erhebung mittels Intensivinterviews (hypothesenorientierter Leitfaden), die weder eine Fundierung der Erkenntnisse mittels psychologischer Theorien noch den Einbezug des organisierten Vereinswesens beinhaltet (Clemens, 1983).
Eine weitere relevante Arbeit im deutschsprachigen Raum stellt die Untersuchung von Astrid Reimers (1996) dar. Sie nahm mittels Fragebogen und Interviews eine umfangreiche Bestandsaufnahme Kölner Ensembles und musikalischer Zusammenschlüsse jedweder Art vor. Der Fragebogen zur Studie enthält zumindest einige Items zu Motivation und Gründen, warum Musiker und Musikerinnen Mitglied in einem Ensemble sind (Reimers, 1996). Die Autorin fasst ihre Ergebnisse unter anderem auch zu den Faktoren „Geselligkeit“ und „Leistung“ zusammen. In der Darstellung der Ergebnisse findet sich jedoch weder eine Überprüfung der Validität der Items, noch eine gesonderte Betrachtung der Bedeutung der Aussagen die einzelnen Mitglieder betreffend.
Laut Stefan Ammersbach und Andreas Lehmann (Ammersbach & Lehmann, 2002) schließen sich Jugendliche vornehmlich aus musikalischem Interesse einem Musikverein an. Zudem konnten als relevante Einflussfaktoren der Motivation und Zufriedenheit in der Fragebogenstudie mit 206 aktiv musizierenden Jugendlichen in Musikvereinen im nördlichen Unterfranken beispielsweise das Repertoire, eine individuelle Anpassung des Anforderungsgrades an den Leistungsstand der einzelnen Musiker und Musikerinnen im Alter von durchschnittlich 15,5 Jahren, außermusikalische Aktivitäten und gemeinsame Auftritte ausgemacht werden (Ammersbach & Lehmann, 2002). In einer weiteren Studie standen Gründe Jugendlicher für den Ausstieg aus einem Verein im Vordergrund, die von einer unpassenden Probenzeit bis hin zu mangelndem Einbezug in das Vereinsgeschehen reichen (Elbert & Lehmann, 2004). Bei den genannten Untersuchungen lag der Fokus auf der Nachwuchsförderung und es handelte sich ausschließlich um jugendliche Probanden. Von einer Gültigkeit der Ergebnisse für erwachsene Amateure und Amateurinnen kann dabei nicht zwangsläufig ausgegangen werden.
Barbara Roth (2012) trägt mit ihrer explorativen Arbeit zur Motivation und Volition beim Üben entscheidend zur Schließung einer Forschungslücke im Bereich Motivation bei. Ziel ihrer Dissertation und einer anschließenden Studie war eine Annäherung an motivationale und volitionale Prozesse des Übens älterer Schüler und Schülerinnen bzw. Schulmusikstudierender (s. auch Roth, 2013). Hierzu untersuchte sie je 44 Instrumentalschüler und Schulmusikstudierende beiderlei Geschlechts und als Kontrollgruppe 70 Lehramtstudierende sowie 60 Schüler und Schülerinnen im Alter von 15-16 Jahren mittels unterschiedlicher Erhebungsinstrumente, wie unterschiedlichen Fragebögen und einem Übetagebuch (Roth, 2012, S. 67). Ihr in Anlehnung an bestehende Instrumente eigens entwickelter Fragebogen Anreizanalyse des Musizierens zeigt mit dem Einbezug der psychologischen Grundbedürfnisse nach Macht, Anschluss und Leistung eine positive Verbindung motivationspsychologischer Theorie mit musikpsychologischer Empirie. Den besagten Fragebogen entwickelte die Autorin auf Grundlage von Aussagen, die sie in einem offenen Interview mit der Zielgruppe sammelte. Als Kontrollgruppe wählte Roth musikalische Laien ohne musikpraktische Interessen. Eine Kontrollgruppe mit alternativem Treatment fehlt demnach. Mit zweifaktoriellen univariaten Varianzanalysen überprüfte die Autorin ihre Daten hinsichtlich alters- und musikbedingter Haupteffekte (ebd., S. 95).
Eine erst kürzlich veröffentlichte musikwissenschaftliche Arbeit wählte das Erweiterte Kognitive Motivationsmodell und das Konzept psychologischer Grundbedürfnisse als Ausgangspunkt theoretischer Überlegungen zur Motivation des Musizierens (Bullerjahn et al., 2017). Die Autoren untersuchten in Anlehnung an Roth (2012, 2013) Motive zur Teilnahme am Wettbewerb Jugend musiziert in Abhängigkeit von unterschiedlichen abhängigen Variablen wie beispielsweise Alter, Geschlecht oder musikalischen Aktivitäten der Familie. Entgegen ersten Vermutungen ergaben sich nicht etwa Leistung oder Macht als dominante Dimensionen von Motivation bei einem solchen musikalischen Wettbewerb, sondern Flow und die Hoffnung auf Anschluss erwiesen sich als wichtigste Anreizklassen (ebd.).
Kai Lothwesen untersuchte Mitglieder von Amateurchören und -orchestern hinsichtlich ihrer Motivations- und Persönlichkeitsprofile. Der Autor geht dabei von nachhaltigen Anreizen im Sinne von Robert Stebbins aus und begreift Motivation als Sammlung individueller Beweggründe aktiver Teilhabe am Musizieren (Lothwesen, 2014; Stebbins, 1982). Sein übergeordnetes Ziel war es, sich inhaltlichen Dimensionen eines Erhebungsinstruments für nicht professionelle Musiker und Musikerinnen zu nähern. Aus dem explorativen Ansatz gingen 22 Items zu Dimensionen von Motivation und Involvement hervor. 345 nichtprofessionelle Chor- und Orchestermusiker und -musikerinnen gaben das Maß ihrer Zustimmung mittels vierstufiger Ratingskala an. Eine Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation des Autors ergab eine 40-prozentige Varianzaufklärung durch die vier Faktoren „Leidenschaft und Selbstausdruck“ (entspricht inhaltlich dem psychologischen Grundbedürfnis Macht), „Perfektionismus und Anspruch“ (psychologisches Grundbedürfnis Leistung), „Familie, Freunde, soziale Kontakte“ (psychologisches Grundbedürfnis Anschluss) und „Auftritte und Publikum“ (ebenfalls psychologisches Grundbedürfnis Macht) (Lothwesen, 2014). Lothwesen entschied sich bei seinem Design bewusst gegen einen theoretischen Ausgangspunkt, um eine tatsächlich explorative Annäherung an das Thema zu gewährleisten. Die Ergebnisse zeigen dennoch eine große inhaltliche Nähe zu den psychologischen Grundbedürfnissen und dem hier verfolgten theoretischen Ansatz.
Geht es um den ‚normalen Freizeitmusiker‘ bzw. die ‚normale Freizeitmusikerin‘ und den Einbezug motivationspsychologischer Grundlagen, zeigt sich der Forschungsstand im angloamerikanischen Raum etwas stabiler (z. B. Diaz, 2010; Evans, 2015; Evans, McPherson & Davidson, 2013; Hills, Argyle & Reeves, 2000; Jacob, Guptill & Sumsion, 2009; Leversen, Danielsen, Birkeland & Samdal, 2012). Vor allem das Thema Kausalattribution zeigt in englischsprachigen Arbeiten in der Vergangenheit eine hohe Relevanz (z. B. Asmus, 1985, 1986; Caimi, 1981). Ähnlich wie auch in der deutschsprachigen Forschung liegt der Fokus außerdem oftmals auf der (Leistungs-)Motivation von Schülern und Studenten beiderlei Geschlechts (z. B. Jacob et al., 2009; Kokotsaki & Hallam, 2011; Miksza, 2009).
Motivation beim Sporttreiben in der Freizeit
Im Vergleich zu den wissenschaftlich bisher wenig untersuchten Musikamateuren und -amateurinnen, werden die Sportvereine durch die Sportwissenschaft bereits seit den 1970er Jahren beforscht. Im Gegensatz zur Musikwissenschaft sind die Sportwissenschaft, -soziologie und -psychologie relativ intensiv auf der Suche nach Erklärungsansätzen für Motivation im Sport und deren Einflussfaktoren. Zu großen Teilen handelt es sich hier jedoch um sportsoziologische Betrachtungen, denen eine motivationspsychologische theoretische Grundlage zumeist fehlt. Außerdem finden sich in der Trainingswissenschaft einige Ausführungen zur Optimierung der Trainingsmotivation oder zum Einfluss der Motivation auf die sportliche Leistung, wobei hier oftmals Leistungssportler und -sportlerinnen und eben nicht die Amateure und Amateurinnen auf dem Prüfstand stehen (Baur, 2003; Heinemann & Schubert, 1994; Nagel, Conzelmann, Engel & Gabler, 2004; Pilz, 1986; Schlagenhauf, 1977; Seggewiss, 1999; Timm, 1979; Wadsack, 1992).
Auswahl der Stichprobe
Im Zentrum unserer Untersuchung stehen Musiker und Musikerinnen, die in ihrer Freizeit im Blasmusikverein, einer Blaskapelle oder auch Blasorchester Musik machen und mit dieser Freizeittätigkeit weder einen finanziellen Vorteil noch einen Nachteil erlangen. Zahlreiche empirische Untersuchungen weisen neben einer grundsätzlich hohen Qualität meist den Mangel einer adäquaten Vergleichsgruppe auf, was nicht selten zu einer Minderung der Validität und Reliabilität führt. Vor diesem Hintergrund sehen wir den Fußballverein als Vergleichsgruppe als äußerst geeignet an. Dieser weist zunächst einmal ähnliche motivationale Hintergründe der Mitgliedschaft auf wie Blasmusikvereine. Geht es beispielsweise beim DLRG, THW oder der Freiwilligen Feuerwehr um das übergeordnete Ziel, Leben zu retten oder im weitesten Sinne zu helfen, so stehen beim Musizieren und dem Fußballspiel die sozialen Kontakte und das gemeinsame Erreichen eines Ziels im Vordergrund.
Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Domänen ist, dass jeder Musiker bzw. jede Musikerin eine eigene Stimme spielt und auch jeder Fußballspieler bzw. jede Fußballspielerin eine zumeist feste Position innehat, die es während eines Spiels nach bestem Wissen und Gewissen zu bewältigen gilt. Einen Unterschied zum Musizieren bildet beim Fußballsport ganz klar der Wettbewerbscharakter der Tätigkeit, aus welchem die Ligen des Fußballsports resultieren. Kategorisierungen und Einstufungen anhand des Leistungsniveaus sind jedoch auch bei der Durchführung von Wertungsspielen und Wettbewerben von Blasmusikvereinen gängige Praxis.
Rund 1,5 Millionen der Freizeitmusiker bzw. Freizeitmusikerinnen, die in einer Untersuchung des Musikinformationszentrums erfasst wurden, sind in Verbänden organisiert (Deutsches Musikinformationszentrum (MIZ), 2014a). Eine Mitgliedschaft in einem Verband ist für Musikvereine im Amateurwesen üblich und bringt einige Vorteile (Subventionen, Fort- und Weiterbildungen, Ausrichtung von Wettbewerben und Konzerten, u.Ä.). Neben der musikalischen Grundlagenarbeit steht vor allem die Vertretung politischer Interessen der Mitglieder im Vordergrund der Verbandsarbeit. Der Hessische Musikverband (HMV) ist ein Zusammenschluss Musik treibender Vereine und Gruppierungen des Landes Hessen, der derzeit 369 Vereine unterschiedlichster Musikrichtungen mit derzeit 18.024 aktiven Mitgliedern (Big Band, Schalmaienchöre, Trommlercorps) aufweist (Hessischer Musikverband, 2012). Ebenso wie die hessischen Musikvereine sind auch die Sportvereine des Bundeslandes in Verbänden organisiert, beispielsweise der Hessische Fußball Verband (HFV). Nach einer aktuellen Statistik des Dachverbandes Deutscher Fußball-Bund (DFB) sind in Hessen im Jahr 2015 insgesamt 2.097 Fußballvereine diesem Verband angeschlossen (Deutscher Fußball-Bund, 2015). Ein wichtiger Unterschied zum musikalischen Verbandswesen ist, dass Fußballvereine für den öffentlichen Spielbetrieb verpflichtend dem HFV angeschlossen sein müssen.
Das Reglement im Fußball lässt von vorneherein nur im ganz frühen Alter eine Geschlechtervermischung innerhalb der Mannschaften zu. Von insgesamt 493.613 Mitgliedern in Hessischen Fußballvereinen sind mit 49.767 gerade ein Zehntel Frauen, die gemeinsam mit 19.017 Mädchen das weibliche Geschlecht in der absoluten Minderheit vertreten. Von insgesamt 11.410 Hessischen Mannschaften sind nur 285 Frauen- und 364 Mädchenmannschaften in der Statistik aufgeführt. Es wird demnach deutlich, dass es sich offensichtlich um eine Männerdomäne handelt (Deutscher Fußball-Bund, 2015). In den Blasmusikvereinen sind ebenfalls männliche Mitglieder mittleren Alters dominant, auch wenn eine vergleichbare Statistik des BDMV an dieser Stelle fehlt.
Zielsetzung und Fragestellung
Die Ergebnisse bisheriger Forschung zum Thema und auch der Einbezug motivationspsychologischer Theorien legen eine Erklärung der Motivation für Freizeittätigkeiten über die psychologischen Grundbedürfnisse Macht, Anschluss und Leistung nahe, die jedoch im deutschsprachigen Raum bisher nicht ausreichend empirisch operationalisiert wurden. Zwar existieren die drei Basic Psychological Need Satisfaction Scales von Deci und Ryan (2000) als Messinstrumente für diese Grundbedürfnisse, jedoch erscheinen wegen ihrer spezifischen inhaltlichen Ausrichtung keine der Skalen zur Messung von musikalischer Freizeitmotivation als geeignet.
Jacob Beard und Mounir Ragheb (Beard & Ragheb, 1983) entwickelten hingegen vor über drei Jahrzehnten ein solches Instrument zur Erhebung von Freizeitmotivation. Auf den vier Skalen intellektuell (engl. intellectual), sozial (engl. social), Kompetenzen (engl. competency/mastery) und Vermeidung (engl. stimulus avoidance) werden psychologische und soziologische Gründe für die Teilnahme an Freizeitaktivitäten mit je 12 Items und einer fünfstufigen Ratingskala gemessen. Sowohl die Betitelung der Skalen als auch der theoretische Ausgangspunkt von Beard und Ragheb (1983) zeigen große Nähe zum theoretischen Ansatz der psychologischen Grundbedürfnisse. Die Reliabilitäten der Skalen lagen in der Originalstudie bei α = 0,9. Untersuchungen aus dem englischsprachigen Raum bedienten sich der englischsprachigen Originalversion des Erhebungsinstruments bisher vornehmlich vor dem thematischen Hintergrund von Tourismus und Sport (z. B. Coleman & Iso-Ahola, 1993; Ramos, Anderson & Lee, 2018; Ritchie, Tkaczynski & Faulks, 2010; Ryan & Glendon, 1998). Im deutschsprachigen Raum gibt es jedoch bisher nur eine einmalige Verwendung und Validierung durch Ulrike Russinger (2012). Sie nutzte aus ökonomischen Gründen eine von Beard und Ragheb (1983) empfohlene Kurzform des Messinstrumentes mit 32 Items, erreichte jedoch ebenfalls zufriedenstellende Reliabilitäten. Für die Vollversion des Fragebogens lag dagegen bisher keine deutschsprachige Übersetzung und Validierung vor. Es ist somit ein Anliegen der vorliegenden Studie, eine solche Übersetzung zu entwickeln und diese nicht nur an einer Teilstichprobe mit musikbezogener Freizeitaktivität zu validieren, sondern auch eine Teilstichprobe mit sportbezogener Freizeitaktivität als Vergleichsgruppe einer anderen Domäne heranzuziehen. Übergeordnetes Ziel der Untersuchung ist es dabei, etablierte Theorien, Konzepte und Methoden der Motivationspsychologie angemessen in die Entwicklung eines ökonomischen Erhebungsinstruments zur Motivation des Musizierens in der Freizeit einzubeziehen und somit für nachfolgende Forschung zum Thema fruchtbar zu machen.
Im Speziellen sollen folgende Fragen beantwortet werden:
-
Wie lassen sich Dimensionen der Motivation von Amateurmusizierenden bzw. Amateursporttreibenden beschreiben?
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Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten sind in den Motivationsprofilen der beiden Untersuchungsgruppen auszumachen?
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Gibt es Zusammenhänge zwischen dem Geschlecht und Motivationsdimensionen und Profilen? Wie lassen sie sich beschreiben?
Methode
Durchführung der Befragung
Für die Erhebung expliziter, also bewusster Motive des Musizierens und Fußballspielens in der Freizeit wurde zunächst die Originalversion der Leisure Motivation Scale (LMS) von der Erstautorin und einer Muttersprachlerin unabhängig voneinander ins Deutsche übersetzt. Da es sich um überwiegend kurze und klare Statements handelt, wurde von einer Rückübersetzung abgesehen. Stattdessen wurden die Übersetzung und die Originalfassung einer dritten Person, ebenfalls mit englischsprachigem akademischem Hintergrund, zur Überprüfung vorgelegt.
Die Daten wurden im Rahmen einer Dissertation (Nowak, 2019) mit dem Ziel einer explorativen Untersuchung der Motivation von Amateurmusikern und -musikerinnen im Vergleich zu Amateurfußballern und -fußballerinnen erhoben. Der Gesamtfragebogen beinhaltete neben der deutschen Übersetzung (LMS-d) der Leisure Motivation Scale von Beard und Ragheb (1983) noch weitere Erhebungsinstrumente. Neben dem Multi-Motiv-Gitter (Langens, Sokolowski & Schmalt, 2007) und dem NEO-FFI (Borkenau & Ostendorf, 2008) wurden das Inventar zur Erhebung der Dimensionen von Motivation und Involvement (Lothwesen, 2014) und das Übeflow-Inventar (Polat, 2013) zur explorativen Annäherung an motivationale Prozesse beim Musizieren und Fußballspielen verwendet. Ein Großteil der Ergebnisse der übrigen Erhebungsinstrumente sowie ein Modellentwurf werden in weiteren Veröffentlichungen berichtet werden (z. B. Nowak & Bullerjahn, in Vorbereitung).
Aufgrund einer höheren Ökonomie und Effizienz im Vergleich zu einer Paper-Pencil-Befragung erfolgte die Erhebung mittels eines Onlinefragebogens über LimeSurvey. Für beide Untersuchungsgruppen wurden parallel zwei nahezu identische Umfragen erstellt. Lediglich einzelne Items zur Mitgliedschaft und die sprachliche Anpassung der Erhebungsinstrumente an die jeweilige Zielgruppe (beispielsweise „Ich musiziere, um zu entspannen“ vs. „Ich spiele Fußball, um zu entspannen“), unterschieden sich. Im September 2016 wurden Amateurblasmusiker und -musikerinnen sowie Amateurfußballer und -fußballerinnen in Kooperation mit dem Hessischen Musikverband (HMV) und dem Hessischen Fußballverband (HFV) per E-Mail um Teilnahme an der Befragung gebeten. Ca. vier Wochen nach dem ersten Rücklaufzeitraum wurde eine Erinnerungsemail mit der Bitte um Weiterleitung versandt, um solche Probanden anzusprechen, die grundsätzlich zu einer Teilnahme bereit waren, diese jedoch im ersten Durchgang aus diversen Gründen verpasst hatten.
Beschreibung der Stichprobe
Insgesamt gingen 337 Personen in die Auswertung mit ein, davon 214 Musiker und Musikerinnen (44% weiblich) und 123 Fußballer und Fußballerinnen aus der A-, B- und Kreisoberliga (10% weiblich). Die erhobene Gesamtstichprobe zeigt demnach in Bezug auf die Verteilung der beiden Teilstichproben eine Zweidrittel-Mehrheit der Gruppe der Musizierenden. Das Durchschnittsalter betrug für die Musiker und Musikerinnen 41 Jahre, das für die Fußballer und Fußballerinnen 38 Jahre. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen beider Gruppen sind im Durchschnitt bereits 20 Jahre Mitglied im Verein.
Nahezu die Hälfte der Musiker und Musikerinnen gab an, in einem Blasorchester zu spielen, gefolgt von dem Musikverein (26,6%) sowie der Blaskapelle auf Platz drei (10%). Rund 41% der Musiker und Musikerinnen spielen hauptsächlich ein Holzblasinstrument in ihrem Verein. 31% dieser Gruppe nannten tiefe Blechblasinstrumente als Hauptinstrument, rund 6% ordneten sich dem Schlagzeug/Percussion-Register zu. Auch die Häufigkeiten der Spielpositionen der Fußballer und Fußballerinnen geben keine Hinweise auf Abweichungen zur gängigen Praxis. Die Häufigkeiten der Nennungen von Spielpositionen der Vergleichsgruppe bilden die übliche Verteilung innerhalb einer Fußballmannschaft ab, bei der es stets weniger Torwarte als beispielsweise Mittelfeldspieler gibt.
Nahezu alle der befragten Musiker und Musikerinnen treffen sich einmal in der Woche zur gemeinsamen Probe (92,5%). Etwas mehr als die Hälfte der Fußballer und Fußballerinnen absolvieren hingegen zwei Trainingseinheiten pro Woche (57%), gut ein Drittel der Vergleichsgruppe trifft sich wie auch die Musiker und Musikerinnen einmal wöchentlich zum Training.
Regelmäßige Auftritte und Konzerte sind fester Bestandteil des Amateurwesens und nehmen vor dem Hintergrund motivationspsychologischer Überlegungen als gemeinsame Ziele, Anlässe zum gemeinsamen Handeln und Möglichkeiten zur Anerkennung der Leistung durch andere eine wichtige Rolle ein. Rund 43% der Musiker und Musikerinnen gaben an, bis zu 19 öffentliche Auftritte im Jahr mit ihrem Verein zu absolvieren, während sich noch rund ein Viertel sogar bis zu 30 Mal vor Publikum präsentiert.
Der Wettbewerb mit anderen Mannschaften ist beim Fußballsport wesentliches Charakteristikum. Eine Spielsaison dauert dabei in der Regel von August bis April eines nächsten Jahres (inkl. ca. zweimonatiger Winterpause). Während der Saison begegnen sich die Mannschaften (ca. 18) innerhalb von Hin- und Rückrunde zweimal. Nahezu die Hälfte der Fußballspieler und -spielerinnen gibt an, bis zu 35 Spiele pro Jahr zu spielen, was mit Blick auf das beschriebene Wettbewerbssystem überaus plausibel ist. Über ein Viertel spielt sogar mehr als 35 öffentliche Spiele im Jahr, was über das Hinzuzählen von Pokalspielen oder Aushilfsspielen in untergeordneten Mannschaften mit Spielermangel zu erklären ist.
Statistische Analyse
Die Auswertung und Analyse der Daten erfolgte mit der Statistik- und Analysesoftware SPSS (Version 24). Aufgrund des großen Umfangs des Fragebogens der Gesamtstudie war von vorneherein mit einigen Abbrechern und Abbrecherinnen zu rechnen. Aus diesem Grund wurde bis auf sehr wenige Ausnahmen bei den Items auf verpflichtende Antwortoptionen verzichtet. So erklärt sich, dass in manchen Fällen einige Items übersprungen wurden und der Fragebogen gegen Ende wieder weitergeführt wurde. Diese Tatsache fand sowohl bei der Auswertung der einzelnen Erhebungsinstrumente sowie bei sonstigen statistischen Berechnungen entsprechend Beachtung und erklärt variierende Werte der gültigen Fälle. Nach der Bereinigung des Datensatzes nach gängigen Kriterien folgte die Anlage von Variablen in Orientierung an die Originalfassung (Beard & Ragheb, 1983).
Für Untersuchungen, die eine Erkundung und Untersuchung wechselseitiger Beziehungen und grundlegender Unterschiede zum Ziel haben, wird explizit ein univariater Ansatz der Datenanalyse empfohlen (Bortz & Schuster, 2010). Erst mit der Frage nach Variablen, die am meisten zur Unterscheidung zweier (oder mehr) Gruppen beitragen, und der Bestimmung eines gemeinsamen Konstrukts, das diesen Variablen zugrunde liegt, erweist sich ein multivariater Ansatz als sinnvoll (ebd., S. 472). Der Vergleich beider Teilstichproben beziehungsweise der Variablen(-Abstufungen) untereinander erfolgte mittels t-Tests für unabhängige Stichproben und univariaten Varianzanalysen (Oneway-Anova) bei Bestätigung der Varianzhomogenität (Levene-Test). Die Angabe statistischer Signifikanzen ermöglichte grundsätzliche Aussagen über das Risiko einer Zufälligkeit der Ergebnisse. Statistische Verfahren wie beispielsweise der Vergleich von Mittelwerten mittels t-Test bieten bei nicht-normalverteilten Stichproben mit zufälliger Stichprobengröße keine exakten Ergebnisse, jedoch durchaus die Möglichkeit zur Aufdeckung relevanter Tendenzen. Der Einbezug von Effektstärken (im Folgenden d nach Cohen) ermöglichte darüber hinaus die Einschätzung der praktischen Bedeutsamkeit signifikanter Ergebnisse mit genormten Werten über das alleinige Maß des Unterschieds hinaus (Bortz & Schuster, 2010; Field, 2013). Aufgrund der explorativen und der methodischen Vorgehensweise wurde im Vorhinein keine Festlegung der Fallzahl vorgenommen.i Für die vorliegende ursprüngliche Stichprobe (N = 452) ergab die nachträgliche Überprüfung eine Teststärke (Power, G*Power 3.1, Faul, Erdfelder, Lang & Buchner, 2007) von 0,8 für α = 0,05 und d = 0,32. Demnach kann also bei den vorliegenden Daten für d > 0,3 eine besondere Beachtung hinsichtlich der Beurteilung von Signifikanz und inhaltlicher Bedeutung vorgenommen werden.
An dieser Stelle ist zu berücksichtigen, dass es sich bei Motivation um ein mehrdimensionales Konstrukt handelt, dessen einzelne Faktoren sich nicht trennscharf gegeneinander abgrenzen lassen (Bullerjahn et al., 2017; Roth, 2012). Die Auswertung der erhobenen Daten wurde bewusst auf der Ebene deskriptiver Verfahren gehalten.
Ergebnisse
Leisure Motivation Scale d
Die deutsche Fassung der Leisure Motivation Scale zeigt überaus gute Reliabilitäten der vier Skalen für die Gesamtstichprobe (vgl. Tabelle 1, eine nummerierte Itemliste im Anhang [Tabelle A1] sowie zum Vergleich Beard & Ragheb, 1983, S. 225).
Tabelle 1.
LMS-d-Skalen | Skalenstatistiken
|
Interpretation | |||
---|---|---|---|---|---|
n | α | Anzahl der Items | p [KS] | ||
intellektuell | 317 | 0,83 | 8 | ≤ 0,001 | Bestreben nach geistiger Aktivität wie Lernen, Erkunden, Vorstellen, Herausfinden |
sozial | 324 | 0,82 | 8 | ≤ 0,001 | Bedürfnis nach Freundschaften und sozialen Kontakten sowie Anerkennung von Anderen |
Kompetenz/Beherrschung | 319 | 0,80 | 8 | 0,03 | Bestreben erfolgreich zu sein, zu konkurrieren, herauszufordern bei körperlichen Aktivitäten |
Vermeidung | 321 | 0,74 | 8 | ≤ 0,001 | Vermeidung von überstimulierenden Situationen und Menschen, die Seele baumeln lassen |
Anmerkung. n = Stichprobengröße; α = Reliabilitätsschätzung mittels Cronbachs alpha, p [KS] = Kolmogorow-Smirnov-Test auf Normalverteilung der Skalenmittelwerte.
Die Skala intellektuell ist vor dem Hintergrund des Grundbedürfnisses nach Leistung zu verstehen und zeigt in der hier vorliegenden Ersterhebung eine Reliabilität von α > 0,8. Die Reliabilität der Skala sozial ist mit α = 0,82 ebenfalls als überaus zufriedenstellend zu beurteilen. Die Items dieser Skala repräsentieren Themen des Grundbedürfnisses Anschluss. Insgesamt acht Aussagen zur Entwicklung von Kompetenzen beziehungsweise einem Wettbewerbsgedanken bilden zusammen die Skala Kompetenz/Beherrschung. Auch diese weist ein α knapp über 0,8 auf, was als reliables Ergebnis gedeutet werden darf. Inhaltlich steht diese Skala in einem engen Bezug sowohl zum Macht- als auch zum Leistungsbedürfnis einer Person. Die Aussagen zur Vermeidung erreichten in der vorliegenden Umfrage für die Gesamtstichprobe mit α = 0,75 den niedrigsten Wert, was vor dem Hintergrund einer deutschen Erstfassung jedoch ebenfalls als positives Ergebnis zu werten ist.
Bei Betrachtung von Cronbachs α der Skalen getrennt für beide Teilstichproben fallen mit Ausnahme der Skala Vermeidung deutlich bessere Reliabilitäten für die Gruppe Fußballer und Fußballerinnen auf, die sich möglicherweise auf den Ursprung der Fragebogenentwicklung des Originals zurückführen lassen (vgl. Tabelle 2).
Alle Subskalen der Leisure Motivation Scale d korrelieren zudem moderat positiv miteinander (p ≤ 0,01), was als Hinweis auf interne Validität gedeutet werden kann (vgl. Tabelle 3).
Mittelwerte der LMS-d-Skalen für die Gesamtstichprobe
Die Skalen sozial und Kompetenz/Beherrschung haben mit M = 3,4 und M = 3,5 die höchsten Zustimmungen durch die Gesamtstichprobe. Vermeidung und intellektuell liegen hingegen nahezu exakt in der Skalenmitte (3 = teils-teils) (vgl. Abbildung 1.). Im Folgenden werden sowohl die Verteilung der Mittelwerte als auch signifikante Unterschiede näher überprüft.
Abb. 1
Mittelwerte der LMS-d-Skalen nach Teilstichproben
Der Vergleich der Skalenmittelwerte (t-Test zweiseitig, Konfidenzintervall 95%) zeigt für Musikerinnen und Musiker sowie Fußballerinnen und Fußballer signifikante Unterschiede für die Skalen intellektuell und Kompetenz/Beherrschung (vgl. Tabelle 4). Demnach ist das Bestreben nach geistiger Aktivität im Sinne einer Aneignung von Wissen für die Gruppe der Fußballer und Fußballerinnen weniger bedeutsam als für die Gruppe der (Blas-)Musiker und Musikerinnen.
Tabelle 4.
Gruppe | n | M | SD | t | df | p | d |
---|---|---|---|---|---|---|---|
intellektuell | |||||||
Musiker/innen | 214 | 3,11 | 0,68 | 2,80 | 204 | 0,003 | 0,34 |
Fußballer/innen | 121 | 2,85 | 0,87 | ||||
sozial | |||||||
Musiker/innen | 213 | 3,45 | 0,63 | -1,00 | 331 | 0,31 | 0,10 |
Fußballer/innen | 120 | 3,52 | 0,75 | ||||
Kompetenz/Beherrschung | |||||||
Musiker/innen | 214 | 3,26 | 0,62 | -9,99 | 332 | ≤ 0,001 | 1,14 |
Fußballer/innen | 121 | 3,99 | 0,66 | ||||
Vermeidung | |||||||
Musiker/innen | 213 | 3,08 | 0,67 | -0,69 | 333 | 0,52 | 0,06 |
Fußballer/innen | 121 | 3,12 | 0,63 |
Anmerkung. t-Test (zweiseitig, Konfidenzintervall 95%) bei angenommener Varianzgleichheit ausgenommen Skala ‚intellektuell‘
Mittelwerte der LMS-d-Skalen nach Geschlecht
Die Analyse der Mittelwertunterschiede ergab einen signifikanten Unterschied der Skala Kompetenz/Beherrschung für die Variable Geschlecht (p ≤ 0,001, d = 0,46). Die Männer der Gesamtstichprobe werteten dabei die Bedeutsamkeit von Wettbewerb, Konkurrenz und körperlicher Fitness höher (M = 3,63, SD = 0,70) als die Frauen (M = 3,32, SD = 0,74) (vgl. Tabelle 5).
Tabelle 5.
Gruppe | n | M | SD | t | df | p | d |
---|---|---|---|---|---|---|---|
intellektuell | |||||||
weiblich | 107 | 3,02 | 0,68 | 0,12 | 333 | 0,89 | 0,01 |
männlich | 228 | 3,01 | 0,88 | ||||
sozial | |||||||
weiblich | 107 | 3,41 | 0,67 | -1,11 | 331 | 0,26 | 0,13 |
männlich | 226 | 3,50 | 0,68 | ||||
Kompetenz/Beherrschung | |||||||
weiblich | 107 | 3,30 | 0,73 | -3,92 | 332 | ≤ 0,001 | 0,46 |
männlich | 228 | 3,62 | 0,69 | ||||
Vermeidung | |||||||
weiblich | 107 | 3,06 | 0,64 | -0,66 | 332 | 0,50 | 0,07 |
männlich | 227 | 3,11 | 0,66 |
Anmerkung. t-Test (zweiseitig, Konfidenzintervall 95%) bei angenommener Varianzgleichheit
Diskussion
Beide untersuchten Tätigkeiten bieten günstige Voraussetzungen zur Befriedigung psychologischer Grundbedürfnisse. So erfolgt ein unmittelbares Feedback über die individuellen Kompetenzen (Macht), es besteht in besonderem Maß die Möglichkeit der sozialen Einbindung (Anschluss) und auch das Leistungsmotiv kann z. B. über Trainieren von Ton- bzw. Tortreffsicherheit grundsätzlich und individuell verfolgt werden.
Ausgangspunkt und wesentliche Annahme dieser Untersuchung war, dass Musizieren und Fußballspielen in der Freizeit als Strategien zur Befriedigung psychologischer Bedürfnisse nach Macht, Anschluss und/oder Leistung dienen (Evans, 2015). Freizeittätigkeiten im Verein sind geprägt durch gewisse Regelmäßigkeiten wie Proben bzw. Training sowie Auftritte bzw. Spiele, was bei Überlegungen zur Motivation ebenfalls nicht unbeachtet bleiben darf. Sobald sich eine Tätigkeit also schon einmal oder mehrfach als lohnenswert erwiesen hat, suchen Personen diese offensichtlich sogar bewusst auf. Diese wiederholte Auseinandersetzung führt zur Stabilisierung des Interesses (Persistenz), was vor allem im Hinblick auf Motivation im Vereinswesen von besonderer Bedeutung ist. Umgekehrt ist davon auszugehen, dass eine mangelnde Befriedigung der Bedürfnisse als Erklärung für den Abbruch einer (Freizeit-)Tätigkeit herangezogen werden kann, wie bereits in anderen Untersuchungen bestätigt wurde (Evans et al., 2013). Vor diesem Hintergrund soll an dieser Stelle betont werden, dass das oftmals angeführte Ausbleiben der Erlebnisdimension Spaß aus unserer Sicht nicht zu verwechseln ist mit dem im Zusammenhang mit Freizeitaktivitäten häufig beforschten Flow-Erleben (z. B. Boerner & Freiherr von Streit, 2006; Csikszentmihalyi, 2010; Engeser & Vollmeyer, 2005; Keller & Landhäußer, 2011; Rheinberg, 1996, 2003). Letzteres bietet mit seinem völligen Aufgehen in der Tätigkeit, dem Gefühl absoluter Kontrolle und dem Verlust des Zeitempfindens durchaus beste Voraussetzungen ‚Spaß‘ zu erleben. Umgekehrt ist jedoch die Emotion Spaß nicht zwangsläufig auch an einen Flow-Zustand gebunden.
Ausgangspunkt der Untersuchung zum Musizieren in der Freizeit waren drei Forschungsfragen, die nun ausgehend von den erhobenen Daten beantwortet werden, bevor Empfehlungen und Überlegungen für zukünftige Arbeiten zum Thema anschließen.
Beantwortung der Forschungsfragen
1. Wie lassen sich Dimensionen der Motivation von Amateurmusizierenden bzw. Amateursporttreibenden beschreiben?
Aus bisherigen Untersuchungen zum Thema ergaben sich bereits die Geselligkeit und der Kontakt mit anderen als relevante Dimensionen von Motivation, blieben dort jedoch theoretisch unbegründet (Ammersbach & Lehmann, 2002; Boerner & Krause, 2001; Braun, 2003; Clemens, 1983; Eckhart-Bäcker, 1996; Eibach, 2003; Elbert & Lehmann, 2004; Liegl, 2005; Reimers, 1996; Seggewiss, 1999). Die Ergebnisse der vorliegenden Studie deuten ebenfalls stark darauf hin, dass für die Motivation in den untersuchten Domänen in erster Linie der Kontakt zu anderen Vereinsmitgliedern und das gemeinsame Handeln von Bedeutung sind, wovon auf die Wirksamkeit des Bedürfnisses nach Anschluss rückgeschlossen wird. Während thematisch einschlägige soziologische Arbeiten Aspekte wie Geselligkeit und soziale Kontakte häufig auf Grundlage von Alltagsvermutungen oder qualitativer Daten aus sehr geringen Stichproben generieren (z. B. Clemens, 1983; Frevel, 1993; Noll, 1996), bestätigen hier nun erstmals quantitative Daten die soziale Komponente (Anschluss) als wichtigen motivationalen Faktor des Musizierens. Das Bedürfnis hingegen, den individuellen Leistungsstand zu verbessern oder sogar Autonomie zu erreichen, scheint für die untersuchte Stichprobe weniger bedeutsam. Demnach geht es den untersuchten Musikern und Musikerinnen und Fußballern und Fußballerinnen nicht in erster Linie darum, durch ihre Freizeittätigkeit die sportlichen oder instrumentalen Kompetenzen individuell zu erweitern oder etwa eine Führungsrolle zu übernehmen, was die Ergebnisse jüngster Veröffentlichungen einmal mehr unterstreicht (Bullerjahn et al., 2017; Evans et al., 2013; Lothwesen, 2014).
2. Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten sind in den Motivationsprofilen der beiden Untersuchungsgruppen auszumachen?
Signifikante Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen ergaben sich für die intellektuelle Aneignung von Wissen und die Skala Kompetenz/Beherrschung. Diese dritte Skala repräsentiert inhaltlich im Sinne eines „agentischen Motives“ (Schmalt & Heckhausen, 2010, S. 225) sowohl Aussagen zur Entwicklung, Beherrschung und Aufrechterhaltung körperlicher Fähigkeiten als auch ein Leistungsstreben in Bezug auf Herausforderungen und bezieht sich laut den Autoren des englischen Originalfragebogens auf Wettbewerb und Konkurrenz ausschließlich im Zusammenhang mit körperlichen Aktivitäten, zu denen natürlich das Musizieren nicht in erster Linie gezählt werden kann (Beard & Ragheb, 1983). Vor allem in Bezug auf körperliche Fitness sind die vergleichsweise höheren Mittelwerte der Fußballer und Fußballerinnen durchaus plausibel, zumal das Musizieren zwar überaus körperliche Anteile beinhaltet, der Fokus von Musikern und Musikerinnen aber ganz offensichtlich nicht auf das Thema Fitness gerichtet ist. Zudem ist der Wettbewerbscharakter immanenter Bestandteil des Fußballspielens. Die Skala intellektuell beinhaltet im weitesten Sinne Aussagen zum Lernen und dem Hervorbringen kreativer Inhalte, was beides wiederum wesentliche Bestandteile bei der Ausübung eines Musikinstruments sind, sodass die höhere Bedeutsamkeit dieser Skala bei der Gruppe der Musizierenden unter anderem durch die Notwendigkeit musiktheoretischen Wissens (z. B. Noten) und auch die Tatsache des kreativen Ausdrucks beim gemeinsamen Musizieren erklärt werden kann. Gleichermaßen relevant für beide Untersuchungsgruppen zeigen sich hingegen das Bedürfnis zum gemeinsamen Handeln (vgl. Forschungsfrage 1) sowie die Absicht zur Entspannung und Ablenkung vom Alltag. Vor allem diese letzte Skala (Vermeidung) fällt durch eine große Nähe der Mittelwerte zur Skalenmitte auf. Sie kann konzeptionell in gewisser Weise den neueren Überlegungen der Musikpsychologie zur Emotionsmodulation mittels Musik zugeordnet werden (von Georgi, 2013), welche außerdem auf einen Zusammenhang der Gewichtung der psychologischen Grundbedürfnisse mit der Persönlichkeit hindeuten, was wir in geplanten Publikationen weiterführend diskutieren werden. Das in der Regel hohe körperliche Aktivitätsniveau der untersuchten Sportart ließe zunächst nicht direkt darauf schließen, dass sie sich zur Entspannung und Entschleunigung eignet. Ebenso werden auch beim Musizieren geistige Konzentration sowie vor allem beim Spielen eines Blasinstruments ein gewisses körperliches Erregungsniveau benötigt, was dennoch einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer offensichtlich nicht davon abhält, die untersuchten Freizeittätigkeiten zur Entspannung zu nutzen. Möglicherweise bildet dabei die Erschöpfung als Resultat der vorherigen körperlichen bzw. intellektuellen Anstrengung die Voraussetzung für eine sich anschließend einstellende Entspannung („‚Rebound‘-Effekt“, vgl. Gembris, 1985, S. 123f. bzw. „aktive Entspannung“, vgl. Gembris, 1985, S. 148–150).
3. Gibt es Zusammenhänge zwischen dem Geschlecht und Motivationsdimensionen und Profilen? Wie lassen sie sich beschreiben?
In Studien anderer Fachdisziplinen zeigten sich überaus heterogene Ergebnisse bezüglich der Variable Geschlecht in Zusammenhang mit den psychologischen Grundbedürfnissen (Feingold, 1994; Fried-Buchalter, 1997; Macdonald & Hyde, 1980). Ein signifikanter Geschlechterunterschied ergab sich hier für die Skala Kompetenz/Beherrschung. Demnach scheint den Männern der Stichprobe Wettbewerb und Konkurrenz wichtiger zu sein als den befragten Frauen. Da es sich bei Fußballvereinen von vereinskultureller Natur aus um einen ‚Männersport‘ handelt und nur 10% Frauen in dieser Teilstichprobe befragt werden konnten, ergibt sich an dieser Stelle die weiterführende Frage, ob der signifikante Unterschied auf die Merkmale der ausgeübten Tätigkeit oder grundlegend auf das Geschlecht zurückgeführt werden kann, was in weiteren Untersuchungen von Mannschaftssportarten mit hohem weiblichen Anteil (bsp. Handball) untersucht werden sollte. Die Frauen der Stichprobe fürchten im Vergleich zu den Männern offensichtlich eher einen Kontrollverlust. Auf die Tatsache, dass sich die Geschlechter signifikant in Furcht vor Zurückweisung und Angst vor Kontrollverlust unterscheiden, weisen bereits ältere Ergebnisse hin (z. B. Bullerjahn et al., 2017).
Empfehlungen und Überlegungen für zukünftige Arbeiten zum Thema LMS-d
Eine Vorstudie der Erstautorin zur vorliegenden Untersuchung im Juni 2015 beabsichtigte die theoriegeleitete inhaltliche Überprüfung der Dimensionen Macht, Anschluss und Leistung (Nowak, veröffentlicht unter Klotz, 2015). Die Gesamtstichprobe der Studie (N = 93) bestand aus zwei Teilstichproben (Blasmusiker n = 62, Fußballer n = 25). Die Antworten wurden online mittels einer fünfstufigen Skala (1 = trifft gar nicht zu – 5 = trifft voll zu) erfasst. Die Vorstudie hatte die Entwicklung eines Fragebogens zur ökonomischen Erhebung der Motivation von Amateuren für die Hauptuntersuchung zum Ziel. Ein Onlinefragebogen umfasste 65 Aussagen zu Motiven und Anreizen der Freizeittätigkeit, die aus der „Anreizanalyse des Musizierens“ (Roth, 2012) und weiteren Arbeiten zum Thema generiert wurden (Clemens, 1983; Frevel, 1993; Reimers, 1996). Hierbei konnten wichtige Erkenntnisse zum methodischen Vorgehen sowie eindeutige inhaltliche Hinweise gewonnen werden, dass eine nähere Untersuchung der Annahme, dass Motivation von Amateurmusizierenden und -fußballspielenden über die psychologischen Grundbedürfnisse erklärt werden kann, lohnenswert sein würde. Die Ergebnisse zeigten jedoch nicht die für die Hauptstudie erforderliche Stabilität. Zu Gunsten einer Vergleichbarkeit und Validierung bereits entwickelter Instrumente wurde letztlich von der Konzeption eigener Items abgesehen und die LMS rückte in den Mittelpunkt anschließender Überlegungen.
Der Einsatz einer deutschen Erstfassung der vollständigen Leisure Motivation Scale ergab solide Anregungen zur Weiterentwicklung eines deutschsprachigen Instruments zur Erhebung bewusster Motive des Musizierens in der Freizeit beziehungsweise zur Motivation für Freizeittätigkeiten generell. Teils hohe Zusammenhangsmaße der Skalen untereinander geben Anlass zu unterschiedlichen Überlegungen. Zudem stehen die Korrelationsmaße den überaus guten Reliabilitäten gegenüber, die eine hohe Verlässlichkeit des Instruments implizieren. Die teils hohen Maße des Zusammenhangs der LMS-d-Skalen sollten für nachfolgende Untersuchungen zum Anlass genommen werden, die Operationalisierungen tiefergehend zu überprüfen und zu überarbeiten. Aus dem statistisch nachgewiesenen inhaltlichen Zusammenhang der Skalen resultiert die Annahme einer mangelhaften Konstruktvalidität. So ist beispielsweise die dritte Skala vor dem Hintergrund der Deutung über die drei psychologischen Grundbedürfnisse als problematisch zu bewerten, welche die beiden Dimensionen Macht und Leistung inhaltlich auf sich vereint, obwohl auch die erste Skala bereits Leistungsaspekte anspricht. Jedoch zeigte sich bereits bei Roth (2012, 2013) die Vermischung dieser beiden Dimensionen, und auch Bullerjahn et al. weisen auf die Problematik einer trennscharfen Erfassung der Bedürfnisse hin (Bullerjahn et al., 2017).
Die Abweichungen von Cronbachs α der LMS-d-Skalen für beide Teilstichproben geben auf den ersten Blick Grund zur Annahme methodischer Fehler bei der Entwicklung der Originalfassung, die eine Allgemeingültigkeit für Freizeitaktivitäten beabsichtigte. Die englischsprachige Erstfassung wurde jedoch in einem mehrstufigen und aufwändigen Verfahren entwickelt. Die Autoren gaben als Instruktion für die Konstruktion der Items vor:
„[…] non-work activities in which the individual has the free choice with no obligation to participate. These activities can be active or inactive and many include such things as sports, outdoor activities, social activities, watching television, or reading.“ (Beard & Ragheb , 1983, S. 222)
Demnach erfolgte die Konstruktion auf Grundlage der Universalität, wie sie auch für die deutschsprachige Fassung angestrebt werden sollte und nicht mit Fokus auf sportlichen Freizeittätigkeiten, wie der Vergleich der Reliabilitäten vermuten lässt. Zugunsten der Universalität des Instruments wäre die Reduktion der Körperbetontheit der Tätigkeit in Richtung neutraler beziehungsweise universeller Formulierungen möglich. Da dieses Instrument anscheinend vor der Veröffentlichung der self-determination-theory mit ihrer Annahme dreier grundlegender psychologischer Bedürfnisse entstand, kann eine absolute Passung nicht erwartet werden, zumal die Autoren anscheinend eine Priorität auf die Trennung zwischen intellektuellen und körperlichen Fertigkeiten legten und nicht auf die zwischen Kompetenz (Leistung) und Autonomie (Macht).
Die im Vergleich zur Gruppe der Fußballer und Fußballerinnen nahezu doppelt so hohe Rücklaufquote der Musiker und Musikerinnen lässt sich vermutlich zum einen über das persönliche Netzwerk der Erstautorin erklären. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Probanden der Vergleichsgruppe sich durch das Thema der Untersuchung weniger angesprochen fühlten, was sich auch in persönlichen Gesprächen immer wieder bestätigte. Die Mitgliedsvereine des HMV zeigen einen deutlichen Schwerpunkt im Bereich Blasorchester und Blasmusikvereine, was sich gleichermaßen in den Ergebnissen widerspiegelt. Spielmannszüge oder etwa Feuerwehrkapellen sind oftmals nicht dem Hessischen Musikverband angeschlossen, sondern einem Spielleute- beziehungsweise Feuerwehrverband und werden demnach gegebenenfalls unterrepräsentativ abgebildet. Die Befragung in Kooperation mit den beiden Verbänden HMV und HFV hatte den Vorteil, dass dieser den Zielgruppen bekannt war, womit auf eine positive Rücklaufquote abgezielt wurde. Die Einflussnahme von externen Personen ist jedoch bei Onlinebefragungen nie auszuschließen. Zudem konnte nur wenig Einfluss darauf genommen werden, ob der Bitte um Weiterleitung des Links an die übrigen Vereinsmitglieder auch nachgekommen wurde.
Zwar wurde das Bedürfnis nach Anschluss als wichtiges Motiv für das Musizieren im Verein und auch für das Fußballspielen deutlich, jedoch sollte daraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass musikalische oder sportliche Leistung oder auch das Bedürfnis nach Prestige und Anerkennung für die untersuchten Tätigkeiten nicht von Bedeutung seien. Um die Motivation der Mitglieder eines Vereins also günstig zu beeinflussen, benötigt es im günstigsten Fall situative Anreize, die die individuelle Motivstruktur jedes Einzelnen ausreichend ansprechen. Das sind konkret musikalische und sportliche Wettbewerbe, gemeinsame Ausflüge oder auch die Anpassung des Spielniveaus. Dennoch bleibt zu beachten, dass es offensichtlich nicht in erster Linie um Konkurrenz und Wettbewerb mit anderen oder um die Verbesserung der eigenen Leistung geht, sondern um das gemeinsame musikalische und sportliche Handeln.
Ausblick
In Hinblick auf die beschriebenen Forschungslücken wird die weitere Reflexion und Validierung des beschriebenen Instruments für zukünftige Arbeiten überaus lohnenswert sein. Die reliablen Skalen gewährleisten bereits jetzt eine theoretisch fundierte und ökonomische Erhebung psychologischer Grundbedürfnisse. Die Gegenüberstellung der beiden Teilstichproben gibt Hinweise darauf, dass sich beide Freizeittätigkeiten hinsichtlich der Gewichtung dieser bewussten Motive und daraus resultierender Anreize offensichtlich unterscheiden.
Begreift man Motivation als Summe von Beweggründen, sind die vorliegenden Ergebnisse als erste Hinweise auf Motive und Anreize und somit einem kleinen, wenn auch bedeutsamen Teil eines gesamten Motivationsprozesses zu deuten. Fragen nach der Zufriedenheit und Wohlbefinden, also der Befriedigung der Bedürfnisse und Motive (Folge), Wechselwirkungen mit weiteren Faktoren wie beispielsweise musikalischer Sozialisation, Emotionen, Volition oder Auswirkungen der Vereinsstruktur auf die Motivation beziehungsweise Persistenz der Mitglieder und vieles mehr (Creech, Hallam, Varvarigou, McQueen & Gaunt, 2013; Hallam, Creech, Varvarigou, McQueen & Gaunt, 2014; Kreutz & Bernatzky, 2015; Pape & Pickert, 1998, 1999) bleiben weiterhin offen und sollten in anschließenden Arbeiten unbedingt aufgegriffen werden. Weiterhin sollte die grundsätzliche Motivationsorientierung (Anreizfokus) von Interesse sein, welche konkretere Rückschlüsse auf Ergebnisse und Folgen der Handlung ermöglicht (Beard & Ragheb, 1980; Heckhausen & Heckhausen, 2010; Paternoga, 2006a, 2006b; Ragheb & Beard, 1982). Auch die Kohäsionsforschung gibt klare Hinweise darauf, dass die soziale Komponente wichtiger Mediator des Zusammenhalts ist (Marx, 2017). Absolut lohnenswert wäre daher, den Ansatz der Kohäsion weiter zu verfolgen, dessen Operationalisierung für die empirische Musikforschung zum jetzigen Zeitpunkt jedoch ebenfalls noch am Anfang steht. Über den Einbezug der genannten Zusammenhänge könnten darüber hinaus indirekt vielleicht sogar Faktoren für den Abbruch oder Ausstieg offen gelegt werden.
Für zukünftige Arbeiten wird empfohlen, die Ansprache der Probanden über Dritte (Verband und Vorstandsmitglieder) zu überdenken. Über die Untersuchung von Verbänden hinaus wäre eine Befragung an Musikschulen, Volkshochschulen oder eben nicht institutionell Organisierten sicher sinnvoll. Eine Ausweitung der Erhebung auf andere Bundesländer würde zum einen den Anspruch der Weiterentwicklung des Erhebungsinstruments an einer anderen und größeren Stichprobe zu Gute kommen und zudem einen überregionalen Vergleich der Ergebnisse ermöglichen. Der (alleinige) Einsatz des bereits überaus ökonomischen Erhebungsinstruments LMS-d könnte sich zwangsläufig auch positiv auf eine höhere Rücklaufquote und somit in manchem Fall auch auf die Stabilität analytischer Verfahren und Ergebnisse auswirken.
Weiterhin wird der Vergleich von Musik mit weiteren Domänen empfohlen, bei denen von einer ähnlichen oder gegebenenfalls gerade einer anderen Motivstruktur ausgegangen werden kann. Nach dem Vergleich mit einer Mannschaftssportart, bietet es sich ebenfalls an, eine andere Sportart zu wählen, welche hinsichtlich des Geschlechterausgleichs eine etwas günstigere Ausgangslage aufweist (beispielsweise der Handballsport). Für eine Annäherung an genrespezifische Charakteristika ist darüber hinaus ein Vergleich mit Musiker und Musikerinnen anderer Musikgenres sicher gewinnbringend. Ebenso drängt sich aufgrund des übergewichtigen Forschungsstandes zur Motivation von Musikprofis im Vergleich zu Amateuren und Amateurinnen eine Gegenüberstellung der Freizeitmusizierenden mit Hauptberuflichen auf.