Forschungsberichte

„Just the two of us”: Der Einfluss des Blickkontakts zwischen einem Pianisten und seinem Medienpublikum auf die soziale Präsenz und das Unterhaltungserleben einer audiovisuellen Klavierperformance

“Just the Two of Us“: The Influence of Gaze Contact Between a Pianist and Their Media Audience on Social Presence and Enjoyment of an Audiovisual Piano Performance

Elisa Gillner*1, Miriam Charlotte Hassler1, Priska Breves2, Holger Schramm1

Jahrbuch Musikpsychologie, 2022, Vol. 30: Musikpsychologie – Empirische Forschungen - Ästhetische Experimente, Artikel e103, https://doi.org/10.5964/jbdgm.103

Eingereicht: 2021-06-16. Akzeptiert: 2022-02-16. Publiziert (VoR): 2022-03-10.

Begutachtet von: Reinhard Kopiez; Clemens Wöllner.

*Korrespondenzanschrift: Medien- und Wirtschaftskommunikation, Institut Mensch-Computer-Medien, Julius-Maximilians-Universität, Oswald-Külpe-Weg 82, Campus Hubland Nord, 97074 Würzburg, Deutschland. E-Mail: elisa.gillner@uni-wuerzburg.de

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Zusammenfassung

Das Unterhaltungserleben von audiovisuellen Musikperformances kann durch das soziale Präsenzerleben, d. h. das Gefühl, mit jemand anderem zusammen zu sein, verstärkt werden. Soziale Präsenz wird in einigen Ausarbeitungen als multidimensionales Konstrukt beschrieben, in denen als Dimensionen u.a. empfundene wechselseitige Wahrnehmung (WW; d. h. das Gefühl einer beidseitig wahrgenommen Co-Präsenz mit dem vermittelten anderen) sowie empfundene Empathie (E; d. h. Rezipierende empfinden eine gegenseitige Beeinflussung der Stimmungslage) angeführt werden. Blickkontakt als nonverbaler Hinweisreiz kann zu einer Steigerung der sozialen Präsenz führen. Es kann zudem davon ausgegangen werden, dass ein höheres Level an E sowie WW sich auf die wahrgenommene soziale Reichhaltigkeit (SR) einer Musikperformance auswirkt und zusammen mit der SR das Unterhaltungserleben der Musikperformance positiv beeinflusst. Das Ziel der vorliegenden Studie ist, zu untersuchen, ob der Blickkontakt im Rahmen einer audiovisuellen Musikperformance die soziale Präsenz (E und WW) sowie die SR erhöhen kann und dadurch das Unterhaltungserleben an der Performance gesteigert werden kann. Für diesen Zweck wurde ein 1 x 2 between-subjects Online-Experiment (N = 114) durchgeführt. Die unabhängige Variable Blickkontakt variierte darin, ob der Musiker während der Performance zeitweise in die Kamera schaute oder seinen Blick die ganze Zeit auf den Klaviertasten behielt. Die Ergebnisse der Mediationsanalyse zeigen, dass der Blickkontakt das Level an Unterhaltungserleben erhöhen kann und dass der Effekt durch die drei Mediatoren (WW, E und SR) vollständig mediiert wird. Das Modell konnte 67 % der Varianz des Unterhaltungserlebens der Teilnehmer:innen erklären. Der positive Einfluss sozialpsychologischer Prozesse auf die Entstehung von Unterhaltungserleben von audiovisuellen Musikperformances konnte sowohl untermauert als auch weiter differenziert werden.

Schlüsselwörter: audiovisuelle Musikperformance, soziale Präsenz, soziale Reichhaltigkeit, Unterhaltungserleben, Blickkontakt

Abstract

The enjoyment of audio-visual music performances can be enhanced by social presence, i.e. the feeling of being with another person. Several papers describe social presence as a multidimensional construct, with perceived mutual awareness (MA; i.e. feeling a mutually perceived co-presence with the mediated other) and perceived empathy (E; i.e. recipients feel a mutual influence on their mood) being two of the possible dimensions. Gaze contact as a non-verbal cue can lead to an increase in social presence. It can also be assumed that a higher level of E and MA has an effect on the perceived social richness (SR) of a music performance and, together with SR, positively influences the enjoyment of the music performance. The present study aims to investigate whether gaze contact can increase social presence (E and MA) as well as SR and thereby enhance the enjoyment of an audio-visual music performance. For this purpose, a 1 x 2 between-subjects online experiment (N = 114) was conducted. The independent variable gaze contact varied in whether the musician temporarily looked into the camera during the performance or kept their gaze on the piano keys the entire time. The results of a mediation analysis show that gaze contact can increase the level of enjoyment and that the effect is fully mediated by the three mediators (MA, E, and SR). The model explained 67 % of the variance in enjoyment. The positive influence of social psychological processes on the development of enjoyment of audio-visual music performances could be both substantiated and further differentiated.

Keywords: audiovisual music performance, social presence, social richness, enjoyment, gaze contact

Musiksender wie MTV haben im linearen Fernsehen nicht nur Videoclips eine große Reichweite geboten, sondern zudem mit Konzertaufnahmen durch Formate wie „MTV Unplugged“ eine große Zuschauerzahl erreicht (Kuni, 2010). Auch auf Onlineplattformen wie YouTube erreichen Videos von Live-Performances mitunter Aufrufzahlen von über 200 Millionen (z. B. Faded von Alan Walker; Walker, 2017).

Obwohl bei der Rezeption von Konzertvideos keine direkte Begegnung zwischen Künstler:in und Zuschauer:in stattfindet, kann dennoch ein Gefühl von Verbundenheit und Nähe entstehen. Im Zuge der Forschung zur Effektivität immersiver Medienangebote hat sich für die soziale Nähe das Konstrukt der sozialen Präsenz, definiert als „sense of being with another“, etabliert (Biocca et al., 2003, S. 456). Unter anderem hat sich der Blickkontakt als wirkungsvoller Faktor für die Steigerung von sozialer Nähe herausgestellt (Bailenson et al., 2003; Bente et al., 2007). Während sich die soziale Präsenz auf das Erleben des medial vermittelten sozialen Akteurs bezieht, beschreibt die Dimension soziale Reichhaltigkeit die durch ein Medium ermöglichte Wärme und Intimität (Lee, 2004).

Für das Unterhaltungserleben („enjoyment“) von Medienangeboten können soziale Komponenten wie Verbundenheit und soziale Nähe einen positiven Einfluss haben (Shin et al., 2019; Tamborini et al., 2010). Inwieweit die soziale Präsenz und die soziale Reichhaltigkeit miteinander interagieren, ist unseres Wissens jedoch noch nicht untersucht worden, weshalb die vorliegende Studie darauf abzielt, dies zu erforschen. Außerdem soll untersucht werden, ob der Blickkontakt einer Künstlerin oder eines Künstlers diese beiden Konstrukte und in der Folge das Unterhaltungserleben von audiovisuellen Musikaufführungen beeinflusst.

Unterhaltungserleben bei Musikperformances

Das Unterhaltungserleben wird von verschiedenen Autoren grundsätzlich als eine angenehme Reaktion auf eine Aktivität, teilweise im Zusammenhang mit der Mediennutzung, definiert, die mit positiv konnotierten Begriffen wie Freude oder Vergnügen assoziiert wird (American Psychological Association, n.d.; Bosshart & Macconi, 1998; Zillmann, 2006). Basierend auf der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (1985) verstehen einige theoretische Ansätze darüber hinaus das Unterhaltungserleben in Medienkontexten als Erfüllung von zentralen Bedürfnissen wie z. B. nach Verbundenheit, dem Bestreben, anderen nah zu sein (Tamborini et al., 2010; Wirth et al., 2012).

Sowohl vor Ort erlebte Musikperformances als auch deren audiovisuelle Aufnahmen können zu einem erhöhten Unterhaltungserleben führen (Shin et al., 2019; Thompson, 2007). Für die Wertschätzung von Musikperformances stellt die visuelle Ebene eine wichtige Komponente dar (Platz & Kopiez, 2012) und auch Veränderungen einzelner Faktoren in der visuellen Präsentation können sich beispielsweise auf das Urteilsverhalten der Rezipierenden auswirken (Platz, 2014). Mediiert durch die wahrgenommene räumliche Präsenz (d. h. die subjektive Wahrnehmung, sich in der Medienumgebung anwesend zu fühlen; Wirth et al., 2007) bzw. soziale Präsenz innerhalb der virtuellen Konzerterfahrung konnte im Rahmen von medial vermittelten Musikperformances ein Einfluss der Immersivität der Visualisierung (VR bzw. 360°-Video vs. unidirektional) auf das Unterhaltungserleben gezeigt werden (Gillner et al., 2021; Shin et al., 2019).

Soziale Präsenz und soziale Reichhaltigkeit

Biocca (1997) beschreibt soziale Präsenz als die subjektive Erfahrung, einer medial vermittelten sozialen Entität physisch nahe zu sein und Zugang zu deren Emotionen zu haben. Die Wahrnehmung von sozialer Präsenz hängt demnach davon ab, wie einfach es subjektiv empfunden wird, sich in den virtuellen anderen hineinzuversetzen. Wird soziale Präsenz im Zusammenhang mit kognitiven Zuständen betrachtet, beinhaltet dies die Konzeption eines mentalen Modells des Gegenübers, welches durch die Wahrnehmung von Verhalten, das Rückschlüsse auf die Anwesenheit einer anderen Intelligenz gibt, aktiviert wird (vgl. Biocca, 1997; Biocca, Burgoon et al., 2001; Biocca et al., 2003). Aus dieser Perspektive wird soziales Präsenzerleben als multidimensional betrachtet (Biocca et al., 2003). Biocca, Harms und Gregg (2001) unterscheiden drei Stufen von sozialem Präsenzerleben. Die niedrigste Stufe beschreibt das Gefühl von Co-Präsenz. Der Eindruck, während der medialen Erfahrung nicht alleine zu sein, hängt hierbei vom Ausmaß einer empfundenen wechselseitigen Wahrnehmung mit dem vermittelten anderen ab. Die nächsthöhere Stufe von sozialem Präsenzerleben ist durch psychologisches Involvement bzw. den wahrgenommenen Zugang zu den kognitiven oder affektiven Zuständen des Gegenübers gekennzeichnet. Hierbei kann das Ausmaß empfundener Empathie zentral sein, die sich auf das Gefühl der Rezipierenden bezieht, wechselseitig die Stimmungslagen des anderen zu erleben. Die dritte und höchste Stufe an sozialer Präsenz, das Gefühl von verhaltensbezogenem Engagement, findet vor allem in interaktiven Settings statt, da es entsteht, wenn Handlungen als reaktiv, voneinander abhängig und miteinander verknüpft empfunden werden. Faktoren, die zu einer Steigerung des sozialen Präsenzerlebens führen können, sind (non-)verbale Hinweisreize, wie zum Beispiel der Blickkontakt (Biocca et al., 2003; Oh et al., 2018).

Während sich das soeben dargestellte Verständnis von sozialer Präsenz vor allem auf das Erleben eines medial vermittelten sozialen Akteurs bezieht, fokussieren sich andere theoretische Ansätze stärker auf die soziale Reichhaltigkeit der medialen Erfahrung an sich (Lombard et al., 2009). Die soziale Reichhaltigkeit bezieht sich auf die Intimität und Wärme, die ein Medium ermöglicht (Lee, 2004). Im Fokus steht dabei die subjektive Einschätzung der Rezipierenden hinsichtlich des Charakters der medialen Erfahrung, zum Beispiel wie emotional, persönlich, unmittelbar und gesellig diese wahrgenommen wird (Lombard et al., 2009).

Herleitung der Hypothesen

Blickkontakt als nonverbaler Hinweisreiz ist eine wichtige Komponente zwischenmenschlicher Kommunikation (Patterson, 1990), die auch in virtuellen Kontexten einen einflussreichen Faktor darstellt. So konnte gezeigt werden, dass sich Blickkontakt positiv auf das soziale Präsenzerleben auswirken kann, sofern dieser hinsichtlich Länge und Intensität nicht als unangenehm und unrealistisch empfunden wird (Bailenson et al., 2003; Bente et al., 2008; Dalzel-Job, 2015). Im Kontext von virtuellen, nicht interaktiven Musikperformances erscheinen vor allem zwei Dimensionen des sozialen Präsenzerlebens von Biocca, Harms und Gregg (2001) von Bedeutung zu sein: empfundene wechselseitige Wahrnehmung sowie empfundene Empathie. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich der Blickkontakt auch positiv auf die beiden einzelnen Dimensionen auswirkt. Denn Forschungsergebnisse zeigen, dass durch Blickkontakt zum einen der Eindruck verstärkt werden kann, sich mit dem vermittelten anderen einen virtuellen Raum zu teilen (Bente et al., 2008; Jo et al., 2016). Zum anderen werden durch Blickkontakt affektive Informationen übertragen und Hinweise auf den Gefühlszustand des Gegenübers gegeben. Der Blickkontakt kann die emotionale Ansteckung begünstigen, was wiederum dem Rezipierenden dabei hilft, den mentalen Zustand des Kommunikationspartners besser zu verstehen bzw. empathisch nachzuvollziehen (Prochazkova & Kret, 2017). Darauf basierend werden die nachfolgenden Hypothesen formuliert:

Hypothese 1a: Eine Musikperformance mit direktem Blick der Künstlerin oder des Künstlers in die Kamera führt bei Betrachter:innen im Vergleich zu einer Performance ohne direkten Blickkontakt zu einem höheren Grad an empfundener wechselseitiger Wahrnehmung.

Hypothese 1b: Eine Musikperformance mit direktem Blick der Künstlerin oder des Künstlers in die Kamera führt bei Betrachter:innen im Vergleich zu einer Performance ohne direkten Blickkontakt zu einem höheren Grad an empfundener Empathie.

Wie oben schon ausgeführt, lässt sich soziale Präsenz auf einer ersten Stufe als empfundene wechselseitige Wahrnehmung und auf einer zweiten Stufe als empfundene Empathie konzeptualisieren. Überschreiten Rezipierende während einer medial vermittelten Musikperformance diese beiden Stufen, sollten sie sich demnach sozial präsenter in dem medial Vermittelten fühlen, d. h. sie werden das Gefühl haben, den oder die Künstler:in und seine Performance unmittelbarer zu erleben. Diese Unmittelbarkeit als Gefühl räumlicher und emotionaler Nähe zur Künstler:in sollte dazu beitragen, dass die gesamte Musikperformance intensiver, intimer, facettenreicher – kurzum: sozial reichhaltiger – erlebt wird. Daraus leiten wir folgende Hypothesen ab:

Hypothese 2a: Je stärker die empfundene wechselseitige Wahrnehmung, desto stärker die soziale Reichhaltigkeit der Musikperformance.

Hypothese 2b: Je stärker die empfundene Empathie, desto stärker die wahrgenommene soziale Reichhaltigkeit der Musikperformance.

Hypothese 2c: Der positive Effekt des Blickkontaktes auf die wahrgenommene soziale Reichhaltigkeit wird durch die empfundene wechselseitige Wahrnehmung und die empfundene Empathie mediiert.

Eudaimonische Unterhaltungsansätze stellen den Prozess einer aktiven Auseinandersetzung mit der Bedeutung und Sinnhaftigkeit von Medieninhalten in den Fokus. Gemäß dieser gilt u.a. das Gefühl der sozialen Verbundenheit (relatedness) als zentrales Bedürfnis an eine unterhaltsame Medienrezeption (Tamborini et al., 2010; Wirth et al., 2012). Mit anderen Worten: Wer sich bei der Medienrezeption sozial ein- oder angebunden fühlt, erlebt dies als wohltuend und sinnstiftend, was wiederum mit Unterhaltungserleben einhergeht. Insofern nehmen wir an, dass insbesondere die emotionalen, empathischen Prozesse bzw. die zweite Stufe der sozialen Präsenz wie auch die daraus resultierende wahrgenommene soziale Reichhaltigkeit sich positiv auf das Unterhaltungserleben einer Musikperformance auswirken sollte. Die empfundene wechselseitige Wahrnehmung kann dagegen als Voraussetzung für die empfundene Empathie und damit als niedrigschwellige, erste Stufe der sozialen Präsenz gesehen werden (Biocca, Harms & Gregg, 2001). Deshalb vermuten wir keinen direkten Einfluss auf das Unterhaltungserleben.

Hypothese 3a: Je stärker die wahrgenommene soziale Reichhaltigkeit der Performance, desto stärker das Unterhaltungserleben.

Hypothese 3b: Je stärker die empfundene Empathie, desto stärker das Unterhaltungserleben.

Hypothese 3c: Die empfundene wechselseitige Wahrnehmung hat keinen direkten Einfluss auf das Unterhaltungserleben.

Fasst man nun die bisher getroffenen Annahmen zusammen, kann von folgendem Gesamtzusammenhang der einzelnen Pfade ausgegangen werden:

Hypothese 4: Eine Musikperformance mit direktem Blick der Künstlerin oder des Künstlers in die Kamera führt bei Betrachter:innen im Vergleich zu einer Performance ohne direkten Blickkontakt zu einem stärkeren Unterhaltungserleben. Dieser Zusammenhang wird durch die Pfade (a) empfundene Empathie, (b) empfundene Empathie und soziale Reichhaltigkeit sowie (c) empfundene, wechselseitige Wahrnehmung und soziale Reichhaltigkeit mediiert.

Methode

Um die Hypothesen zu testen, wurde ein Onlineexperiment mit einem einfaktoriellen Between-subjects-Design durchgeführt. Manipuliert wurde der Blick des Musikers in die Kamera (teilweise vs. keiner) während einer fünfminütigen audiovisuellen Klavierperformance. Die Proband:innen wurden randomisiert zugeteilt und sahen jeweils ein Video der Musikperformance entsprechend ihrer Bedingung. Zu Beginn der Studie wurden die Teilnehmer:innen über die Freiwilligkeit ihrer Teilnahme und die Verarbeitung ihrer Daten aufgeklärt. Auf der Endseite des Fragebogens erhielten die Proband:innen Informationen über den eigentlichen Zweck der Studie. Die Erhebung der Daten fand im Zeitraum vom 5. bis 23. August 2020 statt und die Studie wurde mittels der Software Unipark durchgeführt.

Stichprobe

Die Rekrutierung der Proband:innen erfolgte über persönliche E-Mails, Direktnachrichten, Facebook-Gruppen, Instagram und die Plattformen SurveyCircle und Thesius. Nach Bereinigung der Daten (Probedurchläufe [n = 2] sowie extreme zeitliche Ausreißer beim Ausfüllen des Fragebogens wurden ausgeschlossen [> 30 min; n = 3; Leiner, 2019]) standen 114 Proband:innen zur Auswertung zur Verfügung, die sich auf die beiden Experimentalgruppen à 57 Teilnehmer:innen gleich verteilten. Die Gesamtstichprobe bestand aus 68,4 % (n = 78) weiblichen und 31,6 % (n = 36) männlichen Teilnehmer:innen. Der Altersdurchschnitt betrug 28,11 Jahre (SD = 11,75) mit einer Altersspanne von 17 bis 78 Jahren. 38,6 % (n = 44) der Teilnehmer:innen gaben ein abgeschlossenes Studium als höchsten Bildungsabschluss an, 49,1 % (n = 56) ein Abitur oder eine (Fach-)Hochschulreife, 10,5 % (n = 12) einen Realschulabschluss und je 0,9 % (n = 1) gaben an, die Hauptschule bzw. gar keine Schule abgeschlossen zu haben. Auf die Frage nach der Bekanntheit der beiden verwendeten Musikstücke antworteten 70,2 %, dass sie die Musikstücke nicht kennen. Die Teilstichproben der beiden Experimentalgruppen wiesen nur geringfügige Unterschiede hinsichtlich ihrer demografischen Zusammensetzung und der Bekanntheit des Stückes auf.

Stimulusauswahl

Als Medienstimulus wurden zwei Videos einer fünfminütigen audiovisuellen Musikperformance angefertigt, in denen jeweils die beiden Soulmusikstücke Lovely Day (Withers, 1977) und Just the two of us (Washington, 1980) mit einem fließenden Übergang nacheinander von einem Pianisten gespielt wurden. Die Musikperformance wurde konkret für die Erhebungssituation arrangiert und von einem Musikstudenten der Hochschule für Musik Würzburg auf einem elektrischen Klavier gespielt.

Die beiden audiovisuellen Stimuli unterschieden sich entsprechend der Experimentalbedingungen lediglich in der Blickrichtung des Künstlers. Im ersten Stimulus fand kein direkter Blickkontakt des Pianisten zur Kamera statt. Hier betrachtete der Künstler während der Performance beider Musikstücke ausschließlich die Klaviertasten. Im zweiten Stimulus schaute der Pianist während des Spielens der beiden Stücke teilweise in die Kamera. Dabei wurde darauf geachtet, den Blickkontakt nicht unnatürlich zu gestalten, sondern im Spielverlauf nur zeitweise in die Kamera zu blicken (Bente et al., 2008).

Als Instrument wurde das Klavier ausgewählt, da erwartet wurde, dass dieses genreübergreifend auch Teilnehmer:innen gefällt, die sonst keine Instrumentalmusik rezipieren. Da vermutet wurde, dass nicht alle Proband:innen eine Affinität zu instrumentaler Klaviermusik haben, wurden Musikstücke ausgewählt, die in der Originalversion sehr bekannt und beliebt sind (Last.fm, 2020) und deshalb zu einem angenehmen Hörerlebnis führen sollten. Um die Wirkung der Musikperformance nicht durch zu viele Variablen unkontrolliert zu beeinflussen, wurde auf zusätzlichen Gesang verzichtet. Um den Eindruck einer realen Musikperformance zu erwecken, wurde eine Länge von fünf Minuten konzipiert. Beide Musikstücke hatten eine Dauer von ca. zweieinhalb Minuten, wurden technisch und musikalisch versiert und virtuos gestaltet und zeichnen sich durch einen schwebenden und lebendigen Rhythmus, ein moderates Tempo und eingängige Melodien aus. Die Musikperformance begann mit dem langsameren Stück Just the two of us (Tempobezeichnung moderato), um den Teilnehmer:innen die Möglichkeit zu geben, sich auf die Rezeptionssituation einzustellen. Im direkten Anschluss folgte das schnellere Stück Lovely Day. Die Wahl fiel auf positiv konnotierte Musik, da diese zu einem höheren Unterhaltungserleben führen kann (Thompson et al., 2001). Die Musikperformance wurde auf dem E-Piano Nord Stage 2 der Firma Clavia gespielt. Um eine optimale Tonqualität zu gewährleisten, wurde die Tonspur getrennt vom Bild mit dem Software-Plugin Keyscape aufgenommen und im Anschluss mit dem Schnittprogramm Adobe Premiere Pro CC mit dem Video synchronisiert. Die Bildaufnahme erfolgte mit einem iPhone 6s.

Der Künstler wurde beide Male aus derselben frontalen Kameraperspektive aufgenommen, um die Wirkbedingungen über die Experimentalgruppen gleich zu halten. Es wurde darauf geachtet, dass im Hintergrund keine störenden und ablenkenden Elemente zu sehen waren, um eine unkontrollierte Beeinflussung der Teilnehmer:innen zu vermeiden. Das Instrument war im Bildausschnitt zu sehen. Die Musikperformance wurde ohne Publikum aufgezeichnet und wurde für eine rein mediale Vermittlung konzipiert. Beide Videos hatten in etwa die gleiche Zeitdauer.

Um auszuschließen, dass leichte Abweichungen in der Interpretation zwischen den beiden Performances zu einem unterschiedlichen Level an Unterhaltungserleben führen, wurde ein Pretest (N = 64) mit den Audiospuren der beiden Musikperformances durchgeführt. Als Messinstrument wurde eine fünfstufige Ratingskala mit Endpunktbenennung (1 = trifft überhaupt nicht zu und 5 = trifft voll und ganz zu) verwendet (Shin et al., 2019). Dabei konnte ein ähnliches Level an Unterhaltungserleben bei der Audiovariante der „Mit-Blick”-Variante (M = 3,49, SD = 0,56) sowie bei der „Ohne-Blick”-Variante (M = 3,40, SD = 0,85), t(62) = 0,47, p = ,642, Cohens d = 0,13, festgestellt werden. Dadurch wurde sichergestellt, dass potenzielle Unterschiede des Unterhaltungserlebens zwischen den beiden audiovisuellen Musikperformances ausschließlich auf Unterschiede der visuellen Ebene (Blickkontakt: ja/nein) zurückgeführt werden können.

Verwendete Messinstrumente

Sofern nicht anders beschrieben, wurden die verwendeten Messinstrumente mithilfe einer fünfstufigen Ratingskala mit Endpunktbenennung (1 = trifft überhaupt nicht zu und 5 = trifft voll und ganz zu) gemessen. Die Übersetzung der Originalskalen ins Deutsche erfolgte möglichst originalgetreu getrennt von drei verschiedenen Personen (Moosbrugger & Höfling, 2012). Die Originalitems sowie die verwendeten Übersetzungen sind dem Anhang zu entnehmen.

Um zu überprüfen, ob die Teilnehmer:innen die Blickrichtung des Künstlers in der Musikperformance entsprechend ihrer Bedingung wahrnahmen, wurde dies gegen Ende des Fragebogens mit einem Item abgefragt („Die Person hat während der Performance Blickkontakt zum Publikum gesucht“). Dabei dienten zwei weitere Items als Cover-Items, um das relevante Item nicht zu offensichtlich wirken zu lassen („Die Person hat das Publikum direkt angesprochen“ und „Die Person hat während der Performance nicht mit dem Publikum interagiert“).

Um den Fragebogen der Onlinestudie möglichst kurz zu halten, wurden für die Messung der sozialen Präsenz je vier von sechs Items aus den beiden Dimensionen empfundene Empathie (z.B. „Wenn der Pianist glücklich war, war ich glücklich“) und empfundene wechselseitige Wahrnehmung (z. B. das invers formulierte Item „Ich habe mich oft so gefühlt, als wäre ich alleine gewesen“) der Studie von Biocca, Harms und Gregg (2001) entnommen. Es wurden die für die Erhebungssituation als passend eingestuften Items ausgewählt. Zur Erhöhung der Reliabilität wurde bei der Dimension empfundene wechselseitige Wahrnehmung ein Item ausgeschlossen („Der Pianist hat mich nicht wahrgenommen“). Der Cronbachs-Alpha-Wert blieb jedoch weiterhin in einem unzureichenden Bereich (siehe Tabelle 1). Da es sich allerdings um eine etablierte Skala handelt und auch ein erneuter Ausschluss von Items nicht zu einer Verbesserung des Wertes beigetragen hätte, wurde mit der Skala weitergerechnet.

Tabelle 1

Übersicht über die psychometrischen Kennzahlen der einzelnen Konstrukte

Konstrukt Cronbachs α M SD Anzahl der Items
Unterhaltungserlebena ,90 3,35 0,91 6
Soziale Reichhaltigkeitb ,91 3,55 0,85 7
Empfundene Empathiea ,72 2,56 0,89 4
Empfundene wechselseitige Wahrnehmunga ,52 3,58 0,89 3c (4)

Anmerkung. N = 114; M = Mittelwert; SD = Standardabweichung. Es erfolgte eine Rundung von Cronbachs α auf zwei Nachkommastellen.

aMessung mittels einer fünfstufigen Ratingskala mit Endpunktbenennung (1 = trifft überhaupt nicht zu und 5 = trifft voll und ganz zu).

bMessung mittels eines fünfstufigen semantischen Differentials (bipolar).

cEin Item wurde ausgeschlossen, um die Reliabilität zu verbessern.

Um das Level an wahrgenommener sozialer Reichhaltigkeit abzufragen, wurde die Dimension Social Richness des Temple Presence Inventory von Lombard et al. (2009) verwendet. Adaptiert wurden die Items aus der Studie von Shin et al. (2019). Durch ein fünfstufiges semantisches Differential (bipolar) mit sieben Gegensatzpaaren (z. B.: „unpersönlich / persönlich“ oder „emotionslos / emotional“) sollte die Musikperformance charakterisiert werden.

Mit sechs Items wurde das empfundene Unterhaltungserleben der Teilnehmer:innen erhoben (z. B.: „unterhaltsam“). Diese wurden der Studie von Shin et al. (2019) entnommen, da sie dort bereits im Zusammenhang mit Musikperformances erfolgreich verwendet wurden.

Ergebnisse

Die Ergebnisse eines t-Tests für unabhängige Stichproben zeigten, dass in der Bedingung mit Blick (M = 4,05, SD = 1,09) verglichen mit der Bedingung ohne Blick (M = 1,46, SD = 0,91) die Teilnehmer:innen signifikant stärker wahrnahmen, dass der Pianist während der Performance Blickkontakt zum Publikum gesucht hatte, t(112) = -13,80, p < ,001, Cohens d = -2,59. Es handelt sich nach Cohens (1988) Interpretation um einen großen Effekt. Die Kennwerte der verwendeten Skalen wurden zur Übersicht in Tabelle 2 zusammengefasst.

Tabelle 2

Deskriptive und inferenzstatistische Auswertung

Konstrukt Manipulationsbedingung
t(112) p 95 % KI
Cohens d
Kein Blickkontakt
(n = 57)
Blickkontakt
(n = 57)
M SD M SD UG OG
Empfundene Empathiea 2,29 0,82 2,84 0,88 -3,43 < ,001 -0,86 -0,23 -0,64
Empfundene wechselseitige Wahrnehmunga 3,26 0,90 3,90 0,77 -4,07 < ,001 -0,95 -0,33 -0,76
Soziale Reichhaltigkeitb 3,30 0,90 3,80 0,74 -3,29 < ,001 -0,80 -0,20 -0,62
Unterhaltungserlebena 3,09 0,88 3,61 0,88 -3,10 ,001 -0,84 -0,18 -0,58

Anmerkung. N = 114; M = Mittelwert; SD = Standardabweichung; KI = Konfidenzintervall. t-Test (einseitig, Konfidenzintervall 95 %) bei angenommener Varianzgleichheit.

aMessung mittels einer fünfstufigen Ratingskala mit Endpunktbenennung (1 = trifft überhaupt nicht zu und 5 = trifft voll und ganz zu).

bMessung mittels eines fünfstufigen semantischen Differentials (bipolar).

Zur Prüfung der Hypothesen erfolgte eine Kombination aus serieller und paralleler Mediationsanalyse (siehe Abbildung 2). Dazu wurde das PROCESS-Macro (Version 3.5) von Hayes (2018) verwendet. Die berichteten Regressionskoeffizienten sind unstandardisiert.

Abbildung 2

Serielle und parallele Mediation des Blickkontakts auf das Unterhaltungserleben

Anmerkung. Mediationsanalyse mit unstandardisierten Regressionskoeffizienten und Bootstrapping (m = 5.000), Modell 80 (Hayes, 2018). N = 114; E = Empfundene Empathie; WW = Empfundene wechselseitige Wahrnehmung; SR = Soziale Reichhaltigkeit; UE = Unterhaltungserleben; KI = Konfidenzintervall.

Der erste Pfad der durchgeführten Mediationsanalyse bezieht sich auf den Effekt der unabhängigen Variable Blickkontakt auf die beiden Dimensionen der sozialen Präsenz. Hier zeigt sich, dass sowohl das Level an empfundener Empathie (b = 0,548, p < ,001) als auch an empfundener wechselseitiger Wahrnehmung (b = 0,637, p < ,001) durch vorhandenen Blickkontakt positiv beeinflusst wird (H1a/b).

Weiter konnte festgestellt werden, dass sich sowohl die empfundene Empathie (b = 0,466, p < ,001) als auch die empfundene wechselseitige Wahrnehmung (b = 0,340, p < ,001) positiv auf die wahrgenommene soziale Reichhaltigkeit der Performance auswirkt (H2a/b). Die dichotome Manipulationsvariable Blickkontakt hatte wie vermutet keinen direkten signifikanten Einfluss auf die soziale Reichhaltigkeit (b = 0,029, p = ,817). Die Ergebnisse eines t-Tests für unabhängige Stichproben zeigten, dass die Teilnehmer:innen in der Bedingung mit Blick verglichen mit den Teilnehmer:innen in der Bedingung ohne Blick die soziale Reichhaltigkeit signifikant höher wahrnahmen (siehe Tabelle 2). Basierend auf den Ergebnissen kann von einer vollständigen Mediation des Blickkontakts auf die soziale Reichhaltigkeit über die beiden Mediatoren empfundene Empathie sowie empfundene wechselseitige Wahrnehmung ausgegangen werden (H2c).

Außerdem konnte festgestellt werden, dass die empfundene Empathie (b = 0,263, p = ,002) sowie die soziale Reichhaltigkeit (b = 0,665, p < ,001) das Unterhaltungserleben positiv beeinflussten. Für die empfundene wechselseitige Wahrnehmung konnte wie hypothetisch angenommen kein signifikanter Einfluss gefunden werden (b = 0,067, p = ,331; H3 a/b/c).

Insgesamt konnte ein totaler Effekt der Manipulationsbedingung Blickkontakt auf das Unterhaltungserleben festgestellt werden (b = 0,512, p = ,003). Eine grafische Darstellung der Mittelwerte mit Fehlerbalken bezüglich der Bewertung des Unterhaltungserlebens findet sich in Abbildung 1.

Abbildung 1

Unterhaltungserleben mit und ohne Blickkontakt

Anmerkung. Dargestellt sind die Mittelwerte des Unterhaltungserlebens der beiden Experimentalbedingungen. Die Fehlerbalken verdeutlichen das 95 % Konfidenzintervall. Messung mittels einer fünfstufigen Ratingskala mit Endpunktbenennung (1 = trifft überhaupt nicht zu und 5 = trifft voll und ganz zu).

Nach Einbeziehen der Mediatoren in das Modell konnte festgestellt werden, dass der Effekt des Blickkontakts auf das Unterhaltungserleben durch diese vollständig mediiert wird (direkter Effekt: b = 0,006, p = ,955). Da das berechnete Konfidenzintervall den Wert 0 nicht enthält, kann der indirekte Effekt von Blickkontakt auf das Unterhaltungserleben über die empfundene Empathie als signifikant eingestuft werden (b = 0,130, 95 % KI [0,23; 0,78]). Auch der indirekte Effekt über die beiden Mediatoren empfundene Empathie und soziale Reichhaltigkeit (b = 0,170, 95 % KI [0,06; 0,32]) sowie über den Pfad empfundene wechselseitige Wahrnehmung und soziale Reichhaltigkeit (b = 0,144, 95 % KI [0,06; 0,27]) wurde signifikant (H4). Das Modell konnte 67 % der Varianz des Unterhaltungserlebens der Teilnehmer:innen erklären.

Entsprechend der Ergebnisse können somit alle Hypothesen bestätigt werden.

Diskussion

Ziel der Studie war es, den Effekt von Blickkontakt auf das Unterhaltungserleben von audiovisuellen Musikperformances sowie den vermittelnden Einfluss von sozialer Präsenz und sozialer Reichhaltigkeit zu untersuchen. Da Blickkontakt bereits in verschiedenen empirischen Studien als zuverlässig verstärkender Faktor sozialpsychologischer Prozesse gezeigt werden konnte, wurde der nonverbale Hinweisreiz als Manipulationsvariable im Rahmen der Studie ausgewählt (Bailenson et al., 2003; Bente et al., 2008; Jo et al., 2016; Prochazkova & Kret, 2017). Die Ergebnisse der Mediationsanalyse legen nahe, dass die verwendeten Mediatoren einen hohen Erklärungswert im Rahmen des aufgestellten Modells besitzen und der Einfluss des Blickkontaktes auf das Unterhaltungserleben über die vorgeschlagenen Mediationspfade vollständig mediiert wird.

Dass sich die Mittelwerte der beiden Dimensionen sozialer Präsenz bereits in der Bedingung ohne Blick (siehe Tabelle 2) um den bzw. über dem Skalenmittelpunkt bewegen, könnte sich durch die Stimuluswahl erklären lassen. Der Videostimulus zeigt eine realistische Repräsentation des Künstlers, welche frontal aufgenommen wurde und zudem den Großteil des Bildausschnitts einnimmt. Dadurch werden unter anderem eine Reihe an Identitätshinweisen über den Künstler bereitgestellt, welche sich neben den nonverbalen Hinweisreizen und der realistischen Darstellung zudem positiv auf die soziale Präsenz auswirken können (Choi & Kwak, 2017; Oh et al., 2018). Dennoch legen die Ergebnisse nahe, dass ein zeitweiser Blick des Pianisten die wechselseitige Wahrnehmung sowie die empfundene Empathie noch einmal signifikant verstärken kann. Auch der positive Einfluss der beiden untersuchten Dimensionen der sozialen Präsenz auf die soziale Reichhaltigkeit konnte bestätigt werden. Das könnte darauf hinweisen, dass sich die wahrgenommene Nähe und Verbundenheit mit der vermittelten Person auch auf die Intimität und Wärme einer Musikperformance überträgt. Weiter konnte gezeigt werden, dass das Gefühl von wechselseitiger Wahrnehmung bzw. Co-Präsenz nicht ausreicht, um das Unterhaltungserleben zu fördern. Erst ein höheres Level an sozialer Präsenz in Form von empfundener Empathie sowie die soziale Reichhaltigkeit einer Performance wirken sich positiv auf das Unterhaltungserleben der Rezipierenden aus. Dass die soziale Komponente im Rahmen von audiovisuellen Musikperformances einen Einfluss auf das Unterhaltungserleben haben kann, konnte bereits gezeigt werden (Shin et al., 2019). Somit reihen sich die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit in den Forschungsstand ein und zeigen darüber hinaus, dass sowohl die subjektive soziale Erfahrung mit der vermittelten Person als auch die sozial reichhaltige Wahrnehmung der Musikperformance einen Einfluss auf das Unterhaltungserleben haben.

Da im Rahmen der Studie das Forschungsinteresse verstärkt auf einem möglichen Einfluss einer empathischen, emotionalen sowie räumlichen Komponente der sozialen Präsenz lag, wurden die beiden Dimensionen empfundene Empathie und empfundene wechselseitige Wahrnehmung von Biocca, Harms und Gregg (2001) ausgewählt. Allerdings ist hier zu beachten, dass dadurch nur Teilaspekte des Konstrukts der sozialen Präsenz erfasst wurden, und zudem muss kritisch angemerkt werden, dass die Items der Dimensionen nicht vollständig verwendet wurden. Des Weiteren war der Cronbachs-Alpha-Wert der Messung der empfundenen wechselseitigen Wahrnehmung unzureichend, weshalb in ähnlichen Studien vorzugsweise mit anderen Skalen gearbeitet werden sollte. Außerdem soll an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen werden, dass für das Konzept der sozialen Präsenz unterschiedliche Definitionen vorliegen und dadurch dem Begriff in der Forschungsliteratur kein einheitliches Verständnis zugrunde liegt (vgl. z. B. Biocca et al., 2003; Lee, 2004; Short et al., 1976). Die Diversität spiegelt sich entsprechend auch in unterschiedlichen Messinstrumenten wider (z. B. Lee et al., 2011; Nowak & Biocca, 2003; Short et al., 1976). Für die Vergleichbarkeit zukünftiger Studien im Kontext von audiovisuellen Musikperformances sollte daher auf eine einheitliche Messung geachtet werden. Dazu könnte sich die Skala von Bailenson et al. (2003) anbieten, da diese bereits breite Verwendung findet (für eine Übersicht siehe Oh et al., 2018) und zudem mit einer relativ geringen Itemzahl verschiedene Aspekte der sozialen Präsenz abfragt. Mit Blick auf die Stimulusauswahl ist zudem zu beachten, dass beide Videos ohne Live-Publikum aufgenommen wurden und es keine Variation in der Personenanzahl, Instrumentierung und Musikrichtung gab. Deshalb sollte in zukünftigen Studien untersucht werden, ob sich die Ergebnisse der Studie auch in anderen musikalischen sowie sozialen Kontexten bestätigen lassen.

Zukünftige Forschung könnte untersuchen, ob sich der Einfluss des Blickkontaktes auf die soziale Präsenz und das Unterhaltungserleben auch in immersiven 360°-Konzertvideos bestätigen lässt. Auch weitere soziale Hinweisreize wie eine direkte Adressierung seitens der Künstler:innen sowie der Einfluss von Rezipierendenmerkmalen könnten in diesem Kontext einen gewinnbringenden Untersuchungsgegenstand darstellen.

Finanzierung

Die Autor:innen haben keine Finanzierung für das Forschungsprojekt erhalten.

Interessenkonflikte

Die Autor:innen haben erklärt, dass keinerlei konkurrierende Interessen bestehen.

Danksagung

Die Autor:innen haben keine weitere (d. h. nicht-finanzielle) Unterstützung erhalten.

Datenverfügbarkeit

Die vollständigen, anonymisierten Forschungsdaten dieser Studie können bei Elisa Gillner (elisa.gillner@uni-wuerzburg.de) jederzeit angefragt werden.

Ergänzende Materialien

Ergänzende Materialien

Zu diesem Artikel sind ergänzende Materialien im OSF Repositorium verfügbar. Die ergänzenden Materialien enthalten die Videos der beiden Musikperformances, die als Stimulusmaterial verwendet wurden (siehe Quellenverzeichnis der ergänzenden Materialien).

Quellenverzeichnis der ergänzenden Materialien

  • Gillner, E., Hassler, M. C., Breves, P., & Schramm, H. (2022). Ergänzende Materialien zu „,Just the two of us': Der Einfluss des Blickkontakts zwischen einem Pianisten und seinem Medienpublikum auf die soziale Präsenz und das Unterhaltungserleben einer audiovisuellen Klavierperformance" [Videos]. OSF. https://doi.org/ 10.17605/OSF.IO/WKD6X

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Appendix

Skalen und Items

Skala Text der verwendeten Items (englische Originalitems)
Unterhaltungserleben
(Shin et al., 2019)
unterhaltsam (entertaining)
interessant (interesting)
angenehm (enjoyable)
vergnüglich/erheiternd (fun)
aufregend (exciting)
befriedigend/zufriedenstellend (satisfying)
Soziale Reichhaltigkeit
(Shin et al., 2019)
fern – unmittelbar (remote – immediate)
emotionslos – emotional (unemotional – emotional)
nicht reagierend – reagierend (unresponsive – responsive)
tot – lebendig (dead – lively)
unpersönlich – persönlich (impersonal – personal)
empfindungslos – empfindsam (insensitive – sensitive)
gesellig – ungesellig (unsociable – sociable)
Soziale Präsenz
(Biocca, Harms & Gregg, 2001)
empfundene wechselseitige Wahrnehmung
Ich habe den Pianisten kaum wahrgenommen. (I hardly noticed another individual.)
Der Pianist hat mich nicht wahrgenommen. (The other individual didn’t notice me in the room.)a
Ich glaube, dass sich der Pianist alleine gefühlt hat. (I think the other individual often felt alone.)
Ich habe mich oft so gefühlt, als wäre ich alleine gewesen. (I often felt as if I was all alone.)
empfundene Empathie
Wenn ich glücklich war, war der Pianist glücklich. (When I was happy, the other was happy.)
Wenn der Pianist glücklich war, war ich glücklich. (When the other was happy, I was happy.)
Der Pianist wurde durch meine Stimmung beeinflusst. (The other individual was influenced by my moods.)
Ich wurde durch die Stimmung des Pianisten beeinflusst. (I was influenced by my partners mood.)

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